Die Nutzung von Energie ist nie Selbstzweck. Es geht immer um die Befriedigung anderer Bedürfnisse wie eine warme Wohnung, warmes Essen, Mobilität, Kommunikation, industrielle Güter und so weiter. Auch wenn Energie während der vergangenen Jahrzehnte – von wenigen Ausnahmen abgesehen – immer ausreichend und zu relativ niedrigen Preisen verfügbar war, spielte sie aufgrund ihrer großen Bedeutung für die Volkswirtschaften und teilweise auch aus geopolitischen Gründen in der Politik und damit auch in der Forschung immer eine große Rolle.
Vom unbegrenzten Energieverbrauch zu den Grenzen des Wachstums
Die Anfänge der 1970er Jahre waren geprägt vom »Wirtschaftswunder« sowie der Vorstellung eines ungebremsten Wirtschaftswachstums und infolge ungebremsten Energieverbrauchs. Dieses Weltbild wurde 1972 durch den Bericht »Grenzen des Wachstums« an den Club of Rome sowie 1973 durch die erste Ölpreiskrise gestört. Erste Außenseiter bei den energiewirtschaftlichen Instituten erkannten und beschäftigten sich mit der Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Energiebedarf, zum Beispiel durch Energieeffizienz.
Die zweite Ölpreiskrise 1979 mit ihren publikumswirksamen politischen Maßnahmen wie Sonntagsfahrverboten und Slogans wie »Energiesparen ist die beste Energiequelle« verstärkte die Forschungsarbeiten nicht nur in Richtung Kernenergie, sondern auch in den Bereichen Energieeffizienz, Nachfragesimulation (mit Strukturwandel in der Industrie) und Policy-Maßnahmen mit dem Beginn erster begleitender Evaluationen. Die bestehenden Optimierungsmodelle Anfang der 1980er Jahre, zunächst für optimale Strukturen der Stromerzeugung und des übrigen Energieangebotes entwickelt und genutzt, erhielten zunehmend weitere Modell-Teile der Endenergie-Nachfrage.
In den 1990er Jahren halbierte sich der Ölpreis, entsprechend sank das marktgetriebene Interesse an Energieeffizienz und Erneuerbaren Energieträgern. Gleichzeitig wurden jedoch Klimaschutz-Argumente lauter durch die Klimaschutz-Konferenz in Toronto 1989 und Enquete-Kommissions-Empfehlungen wie BMU unter Töpfer (25 Prozent Treibhausgasreduktion bis 2005), Rio 1992 (Nachhaltigkeit) und Kyoto 1997 (Klimaschutz-Ziele 2°C). Diese trieben die Energiethemen in der Wissenschaft und Politik weiter voran. So beschäftigte sich eine wachsende Zahl von Publikationen mit den Fragen nach den Hemmnissen für die rationellere Nutzung der Energie und mit der Überkompensation der Energieeinsparungen durch Mehrverbrauchtendenzen (»Rebound-Effekt«).
Verteuerung und neue Vorausschau-Methoden
Die Knappheit des konventionellen Erdöls kam in den 2000er Jahren in den Blick unter dem Schlagwort »peak-oil« und einem Anstieg des Ölpreises auf mehr als 100 US-Dollar pro Barrel (nominal). Energieeffizienz und Erneuerbare Energie erlebten in Politik, Gesellschaft und Forschung eine Renaissance. Neben den Verhaltensänderungen waren auch die technologischen Entwicklungen schwierig abschätzbar. Um hierbei den Blick in die Glaskugel wissenschaftlich etwas besser zu fundieren, wurden nun verschiedene Methoden der technologischen Vorausschau miteinander kombiniert: So lässt sich beispielsweise die Geschwindigkeit der technologischen Reife einzelner Technologien von der Idee bis zur Marktreife mit Hilfe von Literatur- und Patentanalysen erfassen. Auch in welchen Regionen die Entwicklungen laufen und wie die Akteure in den frühen Stadien miteinander vernetzt sind, wurde anhand der gemeinsamen Publikationen zum Thema. Die Anzahl der Patente in den einzelnen Regionen gab weitere Hinweise auf die Durchdringungsgeschwindigkeit. Entsprechend des zunehmenden Einsatzes von fluktuierenden Erneuerbaren Energien wurden auch die Strom-Nachfragemodelle stärker zeitlich dynamisiert und örtlich feiner aufgelöst, um dem zunehmend fluktuierenden dezentralen Stromangebot und den Lastverlagerungsoptionen zu entsprechen. Zudem erfolgt eine Verfeinerung von technisch-basierten Energienachfrage-Modellen mit Berücksichtigung zukünftiger Maschinen und Anlagen, sowohl bei Optimierungs- als auch bei Simulations-Modellen. Die Erwartung weiter steigender Energiepreise und steigender Treibhausgasemissionen lenkten die Forschung von der reinen Analyse der Hemmnisse einer rationellen Energienutzung hin zur Untersuchung der Fragestellung, mit welchen Instrumenten diese Hemmnisse abgebaut werden können.
Preisverfall und Klimaziele
In den 2010er Jahren setzte sich das neue Erdöl- und Erdgas-Gewinnungsverfahren Fracking in den USA durch. Das Überangebot von Erdöl führte zum Preisverfall beim Öl auf rund 50 US-Dollar pro Barrel. Umso stärker bestimmten die Erkenntnisse aus der Klimaforschung die Energieforschung und die Energiepolitik. Der 5. und 6. IPCC-Bericht und die Paris-Beschlüsse mit dem 1,5°C-Ziel waren hierbei die treibenden Kräfte. Da eine Dekarbonisierung der Stromerzeugung nicht ausreicht, sondern in allen Sektoren die fossilen Energieträger durch nachhaltig erzeugten Strom oder daraus hergestellte synthetische Energieträger substituiert werden müssen, wurden die energiewirtschaftlichen Analysen und Modelle auf die Sektorenkopplung erweitert. Ein bekanntes Beispiel ist die Substitution des Verbrennungsmotors durch batterie-elektrische Antriebe oder die Substitution der Hochofenroute in der eisenschaffenden Industrie durch Wasserstoff-Direktreduktion.
Der Anfang der 2020er Jahre ist gekennzeichnet von dem russischen Angriff auf die Ukraine und die dadurch erzeugten tiefgreifenden Unsicherheiten auf den Energiemärkten mit Energiepreissteigerungen um bis zum Faktor Vier bei hoher Volatilität, der Furcht vor Unterbrechung der Gasversorgung aus Russland im Winter und der Diskussion um den Weiterbetrieb der letzten deutschen Kernkraftwerke. Aktuell wird deutlich, dass Deutschland viel zu stark auf russisches Erdgas gesetzt hat und den aus Klimaschutzgründen erforderlichen schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie der Energieeffizienz sträflich vernachlässigt hat. Die energiewirtschaftliche Expertise ist aktuell stark auf die Frage ausgerichtet, wie der kommende Winter ohne kalte Wohnungen und ohne Betriebsstillegungen in der Industrie mit seinen gravierend volkswirtschaftlichen Auswirkungen überstanden werden kann. Kurzfristige Energieeffizienzmaßnahmen, insbesondere aber Verhaltensänderungen, können hier einen wesentlichen Beitrag liefern.