Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISIBührer, S.; Edler, J.; Kuhlmann, S.; Seus, S. (2024): Evaluating Public Research and Innovation Policies: A Short History of Co-evolution. In: Edler, J.; Walz, R. (Ed): Systems and Innovation Research in Transition. Research Questions and Trends in Historical Perspective. Cham: Springer.
Fünf Jahrzehnte Evaluation von F&I-Politik
Deutsche und europäische Evaluationspraxis im Wandel der Jahrzehnte
Ziele, Konzepte und Methoden von Evaluationen haben im Feld der Forschungs- und Innovationspolitik (F&I-Politik) von ihren Anfängen bis heute eine deutliche Entwicklung durchgemacht. Diese Entwicklung der Evaluationsforschung und -praxis ist immer im Zusammenspiel mit den großen Linien der Forschungs- und Innovationspolitik zu denken, da die Evaluationskonzepte und -instrumente mit den jeweiligen »Moden« und Wellen in der F&I-Politik korrespondieren. Stichworte hier sind die Etablierung von Kompetenzzentren Ende der 1990er Jahre, die neue Missionsorientierung oder auch die Einführung von New Public Management-Ansätzen in öffentlichen Forschungsorganisationen.
Professionalisierung ab den 1960er Jahren
Der Beitrag im Sammelband konzentriert sich auf Evaluationen von Fördermaßnahmen, adressiert aber auch Fragen zur Evaluation von Forschungseinrichtungen. Er fokussiert vor allem auf die deutsche und europäische Evaluationspraxis, bezieht allerdings die anglo-amerikanische Literatur zur Theorie der Evaluation mit ein.
In den 1960er-, 1970er- und 1980er-Jahren nahm die gezielte Evaluation öffentlicher Forschungs- und Innovationsaktivitäten und -politiken Gestalt an, deckte ein wachsendes Themenspektrum ab und professionalisierte sich allmählich.
In den 1990er Jahren wurden die zentralen Ansätze und Arbeiten der vorangegangenen Jahrzehnte aufgegriffen und weiterentwickelt, es gab aber auch wichtige neue Entwicklungen wie die Evaluation von Multi-Akteurs-, Multi-Maßnahmen-Programmen sowie die Stärkung einer nationalen und internationalen Evaluationsgemeinschaft.
Mehr Evaluierungen und mehr Selbstreflexion
Im Jahrzehnt von 2000-2010 gab es eine zunehmende Zahl von Evaluierungen, die versuchten, die Dynamik auf der Systemebene zu erfassen und die Rolle der Politik und der Politikportfolios für die Systementwicklung zu verstehen, verbunden mit verstärkten Bemühungen, die Politikgestaltung mit formativen Ansätzen zu unterstützen.
Auf der anderen Seite verlangte das System der Politikgestaltung weiterhin eine summative Bewertung, eine quantitative Zahl, um die Ausgaben für die FTI-Politik zu legitimieren. Die unterschiedlichen Ansprüche der STI-Evaluierung führten zu einer verstärkten Selbstreflexion in der Evaluation-Community mit wichtigen kollektiven Veranstaltungen, Bestandsaufnahmen und Analysen.
Die Jahre 2010 bis heute waren geprägt von der Diskussion darüber, wie die Wirkungen der Forschung gemessen werden können, wobei der Schwerpunkt auf den nichtakademischen Wirkungsdimensionen lag. Die Evaluierungs-Community erkundet nun zunehmend die Möglichkeiten der Big-Data-Analyse.
Evaluation am Fraunhofer ISI: Fünf Projekte aus fünf Jahrzehnten
Wischen Sie sich durch die Jahre
1982: Evaluationen von FuE-Fördermaßnahmen für KMU
Diese Studie war eine der ersten Evaluationen von FuE-Maßnahmen (Forschung und Entwicklung) insbesondere von KMU-Fördermaßnahmen in Deutschland. Sie bildete den Auftakt für weitere Evaluationen von KMU-Fördermaßnahmen bis Anfang der 1990er Jahre. Das Fraunhofer ISI war in unterschiedlichen Konstellationen beteiligt.
1995-2003: Begleitende Evaluation der Interdiszplinären Zentren für Klinische Forschung (IZKF)
Seit 1995 förderte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) acht im Wettbewerb ausgewählte interdisziplinäre Zentren für klinische Forschung an Hochschulkliniken (IZKF). Zu den Aufgaben dieser Evaluation gehörten eine Analyse der Entwicklung der IZKF im Förderverlauf, eine vergleichende Untersuchung der IZKF, eine Analyse der Bedeutung der IZKF für die Modernisierung der klinischen Forschung sowie die Darstellung der Perspektiven für die Entwicklung der Hochschulmedizin vor dem Hintergrund sich wandelnder Rahmenbedingungen.
2002-2003: Assessment »Zukunft der Kompetenzzentrenprogramme (Kplus und Kind/net) und Zukunft der Kompetenzzentren«
Das Projekt war eine Ex-post-Evaluation, um die zuständigen Ministerien in Österreich dabei zu beraten, ob und ggf. wie sie die Programme weiterführen sollen. Das Neue an den Programmen und die Herausforderung an die Evaluation war, dass mittelfristige, große kooperative Strukturen zwischen sehr heterogenen Partner:innen aus Industrie und Wissenschaft geschaffen werden sollten, deren Wirkungen sich auf sehr unterschiedlichen Ebenen und in sehr unterschiedlichen Zeiträumen entfalten sollten. Evaluiert wurden nicht nur wissenschaftlich-technologische Outputs, sondern auch die Ausbildung einer kooperativ-korporatistischen strategischen Governance in den neuen Strukturen. Die Herausforderung bestand auch darin, dass das politische Umfeld mit zwei Ministerien, die zwei sehr ähnliche Programme verfolgten, recht antagonistisch war.
2010: INNO-Appraisal. Perspektiven der Bewertung und Überwachung
Ziel des INNO-Appraisal-Projekts war es, zu einem besseren Verständnis darüber beizutragen, wie Evaluierung derzeit in der Innovationspolitik in Europa eingesetzt wird und wie Evaluierung zur Politikgestaltung beiträgt. INNO-Appraisal war der erste systematische Versuch, einen Überblick über die Evaluierungspraxis in Europa zu geben. Es hat dazu beigetragen, die Evaluierungspraxis für die Politik und die Evaluierungsgemeinschaft zugänglich zu machen. Darüber hinaus trug es zu einem besser informierten Bewertungsdiskurs und zur Vernetzung der europäischen FTI-Evaluierungsgemeinschaft bei.
2020: Evaluation der BMBF-Rahmenprogramme Forschung für die Nachhaltigkeit (2005-2009) und Forschung für Nachhaltige Entwicklungen (2010-2014)
Schwerpunkte der Ex-post-Evaluation waren die Messung der Zielerreichung und die Erfassung der Wirkungen von Forschungsförderung, insbesondere der vom BMBF geförderten Forschung für Nachhaltigkeit im Zeitraum 2005-2018. Neben den traditionellen Messgrößen von exzellenter Forschung untersuchte die Evaluation den Einfluss von FONA-spezifischen Merkmalen, v.a. Trans- und Interdisziplinarität, und der Forschung sowie die Ausrichtung auf Transfer von Forschungsergebnissen. Hierfür entwickelte das Evaluationsteam prototypische Wirkungspfade und Wirkungsmechanismen von Forschungsförderung, die über Effekte auf die Wissenschaft hinausgehen.
Layout: Renata Sas; Icons: Anatolii Babii/creativemarket, Renata Sas