Roadmap für einen nachhaltigen Agrarhandel

Ernährungssicherheit, Nachhaltigkeit und Fairness sind wichtige, aber nicht die einzigen Ziele, die es im Agrar- und Ernährungssystem zu erreichen gilt. Das Fraunhofer ISI hat im Projekt MATS (Making Agricultural Trade Sustainable) gemeinsam mit europäischen, afrikanischen und südamerikanischen Partnern ein Leitbild für einen nachhaltigen Agrarhandel im Jahr 2035 und eine Roadmap für Wege dahin erarbeitet. Die Abschlusspublikation zeigt konkrete Maßnahmen auf und geht auf eine Auswahl mit Beispielen näher ein.

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Inklusive Zusammenarbeit für einen nachhaltigen Agrarhandel

Das Agrar- und Ernährungssystem ist ein komplexes Gebilde aus Akteur:innen und Wertschöpfungsketten, die durch sozio-ökonomische Rahmenbedingungen und naturräumliche Gegebenheiten beeinflusst werden. Wie kann unter diesen Rahmenbedingungen der Agrarhandel nachhaltiger werden? Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, einer der Partner im Projekt MATS (Making Agricultural Trade Sustainable), hat dafür einen Roadmapping-Prozess für einen nachhaltigen Agrarhandel ab 2035 durchgeführt und sehr unterschiedliche Vorstellungen und Expertise aus Europa, Afrika und Südamerika in ein gemeinsames Leitbild integriert sowie 34 Maßnahmen zur Umsetzung in Form einer Roadmap entwickelt.

Dr. Anna Kirstgen vom Fraunhofer ISI betont: »Die zum Teil sehr unterschiedlichen Perspektiven aus Europa, Südamerika und Afrika gleichberechtigt sichtbar zu machen, war sehr herausfordernd.« Ihre Kollegin Dr. Ewa Dönitz ergänzt: »Diese Komplexität verschiedener Perspektiven und Interessen ist zugleich die Stärke der Roadmap. Wir hoffen, damit konkrete Hilfe für politische Entscheider:innen und Agrarunternehmen geben zu können.«

Stärkere Einbindung lokaler Akteur:innen und mehr Bewusstsein bei Verbraucher:innen

Das Projektteam hat fünf wichtige Botschaften erarbeitet:

  1. Inklusive Zusammenarbeit: Um alle lokalen Akteur:innen – neben den Händler:innen unter anderem auch Indigene, insbesondere die Frauen und Kleinfarmer:innen – in Entscheidungen einzubeziehen, sind Netzwerke und Initiativen zum Austausch essenziell. Politikmaßnahmen sollten solche Kooperationen initiieren, bewerben und fördern.
  2. Lokaler Handel: Programme zum Wissensaustausch und zur Schulung können zum Aufbau eines lokalen und nachhaltigen Handels beitragen. Hierzu gehören auch Zertifizierungen für faire Standards. Bei allen Maßnahmen ist entscheidend, sie flexibel an das Gebiet anpassen zu können – ob lokal, regional, kontinental oder global. Nur so ist eine effektive und nuancierte Politik möglich, die die Komplexität des Ernährungssystems auf allen Ebenen beachtet.
  3. Auswirkungen von Handelsabkommen: Da internationale Handelsabkommen Einfluss auf lokale Märkte sowie die Umwelt und das Armutsniveau vor Ort haben, muss die lokale Politik deren Folgen abschätzen und Prioritäten setzen. Sie muss ihre Maßnahmen gemeinsam mit den Betroffenen so ausrichten, dass Ökonomie und Ökologie sowie soziale Faktoren im Gleichgewicht bleiben.
  4. Standards für Nachhaltigkeit: In den Wertschöpfungsketten müssen hohe Standards implementiert werden, damit es beispielsweise ein faires Wassermanagement und faire Löhne entlang der gesamten Lebensmittelproduktion gibt. Auch hier ist es wichtig, Kompromisse zu finden zwischen den ökonomischen Interessen des Agrarhandels und der Ernährungssicherheit sowie der ökologischen Nachhaltigkeit.  
  5. Dialog mit Großhändlern und Verbraucher:innen: Es braucht mehr Möglichkeiten zum Austausch, beispielweise Foren und Workshops, denn nur im Dialog lässt sich bei allen Akteur:innen ein Bewusstsein für faire Preise, menschenwürdige Arbeitsbedingungen und ökologische Nachhaltigkeit schaffen – und dieses Bewusstsein erleichtert die Zustimmung für Investitionen, die für einen nachhaltigen Agrarhandel notwendig sind. Dazu gehören ein ökologischer Umbau der Landwirtschaft sowie Preise, die dem Wert der Lebensmittel und der Arbeit entsprechen. Nicht zuletzt helfen Informationskampagnen und verständliche Labels, das Bewusstsein für einen fairen Agrarhandel bei den Konsument:innen zu stärken.

Die Projektleiterin Dr. Ariane Voglhuber-Slavinsky vom Fraunhofer ISI berichtet: »Unsere moderierten Dialoge haben gezeigt, dass einem klar formulierten Ziel unterschiedliche Zielvorstellungen zugrunde liegen können. Gerade in Zukunftsprojekten mit vielen Stakeholdern ist es herausfordernd, aus unterschiedlichen Perspektiven heraus gemeinsam Lösungswege zu erarbeiten. Das haben wir auch im Projekt MATS erlebt, aber die Mühe hat sich gelohnt: Nur im Dialog mit allen Akteur:innen kann es gelingen, einen nachhaltigen Agrarhandel umzusetzen.«

Die Projektergebnisse sind in der Broschüre »Moving Towards Sustainable Agricultural Trade« zusammengefasst, die das Fraunhofer ISI heute auf der MATS-Abschlusskonferenz vorstellt. Das Projekt wurde im Rahmen des Programms Horizon 2020 von der Europäischen Union gefördert.

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