Industrielle Biotechnologie umfasst eine große Vielzahl unterschiedlicher Verfahren und Produkte. Industrielle biotechnische Produktionsprozesse beruhen auf den Stoffwechselleistungen von Organismen (meist Bakterien oder Pilze), die die Umwandlung des Rohstoffs Biomasse in das jeweilige Zielprodukt katalysieren. Für die Optimierung von Produktionsorganismen und ihrer produktionsrelevanten Eigenschaften ist die Kombination von Gentechnik, fortgeschrittenem Metabolic Engineering, System- und Synthetischer Biologie Stand der Technik. Für eine effiziente Bioprozessentwicklung und die Hochskalierung in den industriellen Produktionsmaßstab müssen Biokatalysatoroptimierung und Prozessentwicklung integriert werden.
Verfahren der industriellen Biotechnologie sind traditionell in Branchen etabliert, die Agrarrohstoffe und andere Naturstoffe industriell verarbeiten. Dies sind die Lebensmittel- und Getränke-, die Leder-, Zellstoff- und Papier- sowie die Textilindustrie. Auch in der Umwelttechnik sind biotechnische Verfahren zur Behandlung von Abwasser, Abluft, kontaminierten Böden sowie organischen Reststoffen weit verbreitet. Eine Schlüsselrolle nimmt jedoch die traditionell forschungsintensive und innovative chemische Industrie in der IBT ein, da sie strategische Schwerpunkte gesetzt und entsprechende Kompetenzen und Netzwerke aufgebaut hat. Zudem erbringt sie – zusammen mit dem Maschinen- und Anlagenbau – einen wesentlichen Teil der Innovationsleistungen für nachgelagerte Branchen. Der Schwerpunkt der IBT liegt in der Produktion von Fein- und Spezialchemikalien, der wirtschaftlich bedeutendsten Sparte der deutschen Chemieindustrie.
Durch die zunehmende Reife und Kommerzialisierungsmöglichkeiten in der IBT wächst auch ihre ökonomische Bedeutung. Allerdings erwiesen sich in der Rückschau viele Marktprognosen als zu optimistisch – die künftigen Zuwächse wurden unter anderem deswegen überschätzt, weil Geschwindigkeit und Niveau der Kommerzialisierung der IBT von Rohstoffpreisen, technologischen Durchbrüchen, Anforderungen an die Nachhaltigkeitsbilanz der Prozesse und Produkte sowie Finanzierungsfragen stark beeinflusst werden. Wegen der derzeit niedrigen Preise für fossile Rohstoffe sowie der engen Kopplung der Agrarrohstoff- und Rohölpreise ist eine erhebliche Verbesserung der relativen Kostenwettbewerbsfähigkeit biobasierter Produkte gegenüber ölbasierten Produkten vorerst nicht zu erwarten.
In der IBT kommt großen diversifizierten Unternehmen, deren Kerngeschäft in der Chemie bzw. im Agro-Food-Bereich liegt, eine wichtige Rolle als Innovatoren und Produzenten zu. Unter den reinen Biotechnologieunternehmen in Deutschland sind etwa 10 % der IBT zuzuordnen. Sie sind schwerpunktmäßig Dienstleister und Technologieentwickler, die in einzelnen Fällen auch Produktionsaktivitäten aufgenommen haben. Mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in der IBT zeigt sich eine starke Position bei technologischem Wissen. Volkswirtschaftliche Effekte dürften vor allem in der Sicherung bestehender Arbeitsplätze bestehen, während ein deutlicher absoluter Zuwachs an Arbeitsplätzen oder Zugewinne von Marktanteilen auch in Zukunft eher unwahrscheinlich sind. Dies ist typisch für Querschnittstechnologien wie die IBT. Deshalb sollte ihre Bedeutung für das Wachstum etablierter Branchen nicht unterschätzt werden.
Diese Analyse des Fraunhofer ISI wird ergänzt durch eine in einem gesonderten Bericht veröffentlichte Analyse des UFZ, in der die aktuellen wissenschaftlichen Diskussionen zu Umwelt- und Nachhaltigkeitspotenzialen der IBT aufbereitet wurden.