Projekt

Der Weg europäischer Güterverkehrskorridore zur Kohlenstoff-Neutralität (LowCarb RFC)

Die LowCarb-RFC-Studie baut auf aktuellen Arbeiten zur Verkehrsverlagerung im Güterverkehr auf die Bahn auf. Diese vernachlässigen sämtlich die Kernfragen hierzu: (1) was sind die tatsächlichen Auswirkungen auf Regionen und deren Verkehrssysteme, und (2) ob und wie sich die wesentlichen Institutionen fit für diese Aufgabe machen lassen. Die Studie untersucht dies für zwei europäische Güterverkehrskorridore sowie den Logistikstandort Nordrhein-Westfalen. Sie wendet drei unterschiedliche Modelle zur Verkehrssimulation und Nachhaltigkeitsbewertung an, untersucht institutionelle Reformprozesse innerhalb und außerhalb des Verkehrsbereichs und betreibt eine Plattform zum Wissens- und Erfahrungsaustausch für Vertreter der Verkehrsunternehmen, der verladenden Wirtschaft sowie aus der Politik. Die Studie wird von der Mercator-Stiftung in Kooperation mit der European Climate Foundation im Zeitraum 2015 bis 2018 kofinanziert.

Die LowCarb-RFC-Studie entstand aus aktuellen Studien, die von der Europäischen Kommission gefördert werden. Alle Studien untersuchen ambitionierte Szenarien, um die Verkehrsnachfrage von der Straße auf die Schiene zu verlagern, für bessere Lebensqualität, Energieeffizienz und die Reduzierung von Treibhausgasen. Alle Studien verbleiben jedoch mit eher allgemeinen Empfehlungen und Lösungen, ohne dass sie an den Kern des Problems heranreichen: (1) was bedeuten diese massiven Veränderungen wirklich für die Region und ihre Verkehrssysteme und (2) ob und wie können wir die gegenwärtigen Institutionen reformieren, um die erforderlichen Maßnahmen einzuleiten. Diese Studie sucht eine Antwort auf beide Fragen am Beispiel von bedeutendem europäischem Hinterland Transitverkehr durch das Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW).

Um die grundsätzlichen Fragen, wie der Verkehrssektor reformiert werden soll, um ihn nachhaltiger zu machen und damit die ambitionierte Verkehrsverlagerung, Klima- und Sicherheitsziele, die das Verkehrsweissbuch der europäischen Kommission 2011 festgelegt hat, zu beantworten, wendet die LowCarb-RFC-Studie folgende Arbeitsschritte und Methoden an.

State of the Art Assessment: WP1 strebt an, den gegenwärtigen Stand der Forschung zu zukünftigen Szenarios für Visionen im Eisenbahnsektor von Methoden zur Bewertung und Quantifizierung dieser Szenarien und bestehenden Meinungsaustauschen der Interessengruppen und Verbreitungsplattformen für Lösungen zum Gütertransport zu sammeln und analysieren.

Models, Data & Projections: WP2 entwickelt ein Basisszenario, welches höchstwahrscheinlich Realität wird im Fall, dass Politik, Technologie und Märkte sich ohne große Überraschungen entwickeln. Es wird verschiedene Modellierungsinstrumente festlegen, die zur Bewertung von Entwicklungen des Verkehrsmarktes angewendet werden: das ASTRA System Dynamik Modell, geleitet vom Fraunhofer ISI und M-Five, das Logistik Chain Modell der Universität von Antwerpen, die lokale Logistik Bewertungsmethode von Fraunhofer IML und andere Bewertungsmethoden, die während des Projekts erforderlich werden.

Scenario Pro Rail: WP3 entwickelt Visionen des Ziels und Szenarios für einen internationalen europäischen Güterverkehrsmarkt, hauptsächlich für die Eisenbahn. Dies bedeutet eine vollständige technische und organisatorische Modernisierung des Eisenbahnsektors sowie ein detailliertes Konzept für ein unterstützendes politisches Umfeld bis 2050. Das WP schließt mit einer strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung.

Reforming Railways & Institutions: WP4 geht auf die Einzelheiten ein, wie das Pro Schiene Szenario realisiert werden kann, indem es sich auf die größten Hindernisse gegenüber der Eisenbahn und institutionellen Veränderungen konzentriert. Kurze Fallstudien zu Übergangsprozessen in anderen Sektoren werden durchgeführt und ausführliche Konsultationen mit der Eisenbahn, Logistikunternehmen, Industrien und politischen Organen innerhalb der teilnehmenden Interessengruppen Platform werden durchgeführt, um mögliche Übergangswege zu ermitteln.

Scenario Pro Road: WP5 geht auf ein alternatives Szenario ein, das untersucht, ob die Nachhaltigkeitsziele erreicht werden können trotz einer Marginalisierung des Schienengütersektors. In diesem Szenario werden technische und organisatorische Verbesserungen des Straßenverkehrs, wie autonomes Fahren, größere Fahrzeuge, Elektrifizierung oder alternative Kraftstoffe weitgehendst erlaubt.

Impacts on the Logistics Hub NRW: Dieser letzte wissenschaftliche Schritt bündelt die Ergebnisse des Pro-Rail Szenarios und des Pro Road Falls und betrachtet die Konsequenzen besonders für die Logistikinfrastruktur und Märkte in Nordrheinwestfalen (NRW). Er untersucht Bedarfe an Investitionen und De-Investment, Umweltwirkungen und soziale Auswirkungen auf den Straßengüterverkehr-, Eisenbahn- und Binnenschifffahrtssektor.

Stakeholder Participation Platform: Dieser Arbeitsschritt unterstützt alle anderen Aktivitäten im Projekt, indem fortlaufende Diskussionen mit wichtigen Interessengruppen von der Bahn und dem Güterkraftgewerbe ermöglicht werden. Ein bi-direktionaler Lastfluss von Input-Fragen, Vorschlägen und Kommentaren und vertrauliche Diskussionen in kleinen Gruppen sollen sicherstellen, dass Wissenschaft und Praxis von einem offenen und ehrlichen Austausch der wichtigen Gedanken und Fakten profitieren. Die Stakeholder Participation Platform wird vom Projektpartner Transport & Environment (T&E) geleitet.

Publikationen

Das Projekt LowCarb-RFC setzt sich aus drei Themenfeldern zusammen. Insgesamt werden hieraus neun Arbeitspapiere (Working Papers) und drei Summary Reports veröffentlicht.

Überblick und Summary Reports

Zusammenfassung: Bessere Marktbedingungen für die Güterbahnen bedürfen der Auflösung des doppelten Ungleichgewichts durch die frühere und entschiedenere Liberalisierung der Straße und die strukturbildende Rolle der Staatsbahnen. Neben positiven externen Faktoren benötigt ein Wachstum der Schiene die Auseinandersetzung mit komplexen Organisationsstrukturen, langen Entscheidungswegen und ideologischen Erwartungen an den Sektor. Dies braucht eine Veränderung der Organisationsstrukturen und Institutionen der Bahnen zusätzlich zu Kapazitätserweiterung, Digitalisierung und Modernisierung. Jedoch bleiben selbst weitgehende institutionelle Reformprozesse meist marktfern. Dringend benötigte, tiefere institutionelle Design- und Anpassungsprozesse wie von DB Cargo anvisiert finden jedoch nur unter massivem externen Druck statt. Mittelfristig können neue Akteure die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn gegenüber der Straße befördern. Erfolgsfaktoren beinhalten gleiche Arbeitsbedingungen und Innovationsförderung. Über verschiedene Sektoren zeigen sich prädiktive Logistik, anwendungs- und ergebnisorientierte Produkt-Service-Systeme, horizontale Kooperation und Bündelung als geeignete Geschäftsmodelle. Diese können zusätzlich zum traditionellen Geschäftsmodell von Unternehmen Anwendung finden.

Zusammenfassung: Der hier vorliegende zweite Summary Report des Forschungsprojektes LowCarb-RFC stellt weitreichende Szenarien zur Kostenreduktion im Bahnverkehr und zur Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs für zwei europäische Korridore bis 2050 vor. Die Szenarien Pro Rail für wettbewerbsfähige Güterbahnen und Pro Road für treibhausgasneutrale Straßentransporte sollen die grundsätzlich möglichen Klima- und Nachhaltigkeitsbeiträge beider Stoßrichtungen der Verkehrspolitik quantifizieren. Pro Bahn beschreibt eine Zukunft, in welcher die Transportkosten der Bahn durch regulatorische Rahmenbedingungen, betriebliche Maßnahmen sowie die konsequente Anwendung von Vernetzung und Automatisierung um 66 Prozent sinken. Gleichzeitig steigen die Lkw-Kosten durch Steuern und Abgaben um 25 Prozent. Pro Road beschreibt dagegen eine Zukunft, in der durch Oberleitungen, Batterie- und Brennstoffzelle der Lkw CO2-frei fährt. Der Marktanteil der Bahn verdreifacht sich im Pro Rail-Szenario gegenüber der Referenz 2050. Dies geht teilweise zu Lasten des Lkw, jedoch auch zu Lasten der Schifffahrt. Auf dem Rhein-Alpen-Korridor 2050 vermindern sich die THG-Emissionen des Güterverkehrs in Pro Rail von 60 Mt auf 35 Mt CO2-Äquivalente und in Pro Road auf 22 Mt. Durch eine Kombination beider Ansätze ließe sich eine weitere Reduktion auf 16 Mt erreichen. Da diese extremen Szenarien kaum umsetzbar sein werden, müssen die Emissionsreduktionspotenziale in allen Verkehrsträgern voll ausgeschöpft werden.

Zusammenfassung: Dieser dritte und letzte Kurzbericht der Studie LowCarb-RFC verlagert die Sichtweise von den europäischen Korridoren auf die Region Nordrhein-Westfahlen (NRW). Für NRW wurden spezifische Nachfrageszenarien bis 2050 entwickelt und bewertet. Für das Erreichen umfangreicher THG-Reduktionen müssen Planungszeiten deutlich verkürzt und die Systemtransformation sofort eingeleitet werden. Insbesondere müssen durch neue Technologien Kapazitäten bei der Bahn geschaffen werden, da die Verlagerung aller Bahngütertransporte auf elektrifizierte Lkw exorbitant umfangreiche Ausbauten des Straßennetzes erforderte. Die gesamten Investitionskosten zwischen 2015 und 2050 bewegen sich zwischen 15 Milliarden Euro für die untere Grenze des Schienenausbaus und 19 Milliarden Euro für Elektrifizierung und Ausbau der Autobahnen. Keine dieser Kosten erzeugt größere Verwerfungen der Volkswirtschaft oder des Arbeitsmarktes und bietet damit keine Entschuldigung nicht zu handeln. Die Fallstudie NRW findet geringere THG-Einsparpotenziale (−16 Prozent) gegenüber den Korridorstudien (−28 bis −43 Prozent) für die Bahnerweiterungs- und Verlagerungsszenarien. Die Elektrifizierung des Straßenverkehrs erreicht in allen Fällen eine Reduktion von 60 Prozent. Interessanterweise sind auch die GHG-Vermeidungskosten im Pro Rail-Szenario für NRW niedriger (140 Euro pro Tonne CO2-eq.) als in den Korridorstudien (um 600 Euro je Tonne CO2-eq.). Externe Kosten für Umwelt und Sicherheit legen nahe, Klimaeffekte zu priorisieren. Für eine tiefe und schnelle Dekarbonisierung des Güterverkehrs werden hierzu alle verfügbaren Optionen, inklusive einer CO2-armen Schifffahrt, gebraucht.

Themenfeld 2: Szenarien und Ergebnisse für Europäische Korridore

Laufzeit

01.09.15 - 31.08.2018

Auftraggeber

  • Stiftung Mercator GmbH

Partner

  • Fraunhofer IML

  • INFRAS AG, Schweiz

  • M-Five

  • T&E Transport & Environment

  • Universität Antwerpen