Feststoffbatterien für Elektrofahrzeuge: Forschungs- und Entwicklungsthema oder am Übergang zur Kommerzialisierung?

von Inés Rosellón Inclán /

Feststoffbatterien (Solid-state batteries, SSB) werden immer wichtiger: Fast alle namhaften OEM nennen die Technologie in ihren Entwicklungsroadmaps, teilweise mit recht konkreten Zeitpunkten für die Implementierung. Doch haben SSB bereits die nötige technologische Reife für die Einführung im Automobilmarkt erreicht? Noch immer finden sich neben den Kommerzialisierungsankündigungen der Hersteller auch Berichte aus der Forschung und Entwicklung, die nach wie vor auf große Herausforderungen auf dem Weg zum Massenprodukt schließen lassen.

Feststoffbatterien gelten als vielversprechende Technologie, um technische Limitierungen der aktuellen Lithium-Ionen-Batterie-Technologie zu überwinden. Sie versprechen eine sehr hohe Energiedichte in Elektrofahrzeugbatterien und somit potenziell eine hohe Reichweite, insbesondere bei Verwendung von Lithium-Anoden oder »anode-less«-Zellkonzepten. Zudem reduziert das Fehlen von flüssigen Elektrolyten in Feststoffbatterien das Risiko von Gefahren bei Unfällen, da sie größtenteils auf nicht brennbare Komponenten setzen. Einige Festelektrolyte weisen zudem gute kinetische Eigenschaften auf und versprechen hohe Ladungs- und Entladungsraten, was die Gesamtleistung der Batterie verbessern könnte.

Trotz der vielversprechenden Aussichten der SSB-Technologie sind nur wenige Feststoffbatteriezellen kommerzialisiert worden. Die Herausforderungen liegen nicht nur in den Material- und Zellkonzepten selbst, sondern insbesondere in den Produktionsprozessen, die sich teilweise erheblich von denen konventioneller Lithium-Ionen-Batterien (LIB) unterscheiden.

In diesem Blogbeitrag geben wir einen Überblick über die industrielle und wissenschaftliche Landschaft im Zusammenhang mit Feststoffbatterien. Darüber hinaus werden verschiedene Technologievarianten der wichtigsten Industrieakteure identifiziert. Zuletzt leiten wir Erkenntnisse aus Industrie-Roadmaps und Produktionsausbauplänen ab, um den aktuellen Stand und die zukünftigen Aussichten der Feststoffbatterietechnologie darzustellen.

Welche Akteure sich mit Feststoffbatterien beschäftigen

Die SSB-Technologie soll vor allem in der Automobilindustrie zum Einsatz kommen. Mehrere bedeutende Akteure haben bereits angekündigt, die SSB-Technologie nutzen zu wollen. BMW plant beispielsweise ab 2030, Mercedes bis 2030, Ford ab 2028 und Toyota ab 2027, Feststoffbatterien zu nutzen. Auch Hyundai hat ähnliche Pläne und strebt die Integration dieser Technologie bis zum Jahr 2030 an. In sogenannten »semi-solid«-Konzepten sollen SSB-Zellen sogar noch früher auf den Markt kommen.

Aktuell dominiert China die Erforschung und Entwicklung von SSB-Batterien. Ein Blick in die Publikationen der vergangenen fünf Jahre, die den Begriff »Solid State Batteries« enthalten, spiegelt dies wider. Die größte Anzahl von Publikationen stammt von chinesischen Autor:innen (55 Prozent), gefolgt von Nordamerika (16 Prozent), Europa (14 Prozent) und Asien (14  Prozent).

Feststoffbatterien: Publikationen nach Herkunft der Autor:innen und angekündigte Zellproduktionskapazitäten nach Standort
© Fraunhofer ISI
Feststoffbatterien: Publikationen nach Herkunft der Autor:innen und angekündigte Zellproduktionskapazitäten nach Standort

Ähnliche Trends lassen sich bei der angekündigten SSB-Produktion erkennen. Unter den Unternehmen, die bereits Produktionsvolumina bis 2030 angekündigt haben, finden sich Namen wie WeLion, Solid Energy Systems, Blue Solutions, TDK, Pro Logium und Gangfeng. China dominiert bei den angekündigten Produktionskapazitäten, gefolgt von Europa, Asien und den USA.

Einige Unternehmen haben zwar erklärt, sich in den kommenden Jahren an der Produktion von Feststoffbatterien beteiligen zu wollen, haben jedoch keine genauen Zahlen bekannt gegeben. Darunter sind Großunternehmen wie AESC (bis 2027), LGES (ab 2030), Samsung SDI (ab 2027), SVOLT (bis 2030) und Lition (ab 2025). Auch aus Europa sind einige Start-ups wie LionVolt (ab 2025), LeydenJar (ab 2026) und Morrow Battery (ab 2030) vertreten. In Nordamerika sind Hydro Quebec (ab 2025), Ionic Materials und Prieto Battery bereits ab diesem Jahr, sowie EnPower GreenTech (ab 2025) und Solid Ultrabattery (ab 2025) aktiv.

Technologische Varianten von Feststoffbatterien

Die entwickelten Konzepte für Feststoffbatterien sind so vielfältig wie ihre Hersteller. Das liegt daran, dass es eine große Zahl möglicher Kombinationen von Anoden, Festelektrolyten und Kathodenkonzepten gibt. Obwohl die Forschung und Entwicklung seit mehreren Jahren im Gange ist, wurde die Vielfalt der Technologievarianten bisher kaum konsolidiert.

Unterschiede liegen in der Verwendung verschiedener Anoden-Aktivmaterialien, darunter Lithium-Metallanoden und Silizium-basierte Anoden, sowie in der Verwendung von üblichen Kathodenmaterialien (LFP, NMC). Unter den Festelektrolyten, die aktuell als vielversprechend gelten, sind Polymer-, Sulfid- und Oxid- Elektrolyte, die bezüglich Ionenleitfähigkeit und chemischer Stabilität verschiedene Eigenschaften aufweisen.

Mit Ausnahme einiger Zellvarianten, die auf Polymer-Elektrolyten basieren, wurde bisher kein klarer Unterschied im erreichten Technologiereifegrad identifiziert. Einige Entwickler haben großformatige und mehrschichtige Zellen (geeignet für Elektrofahrzeuge) vorgestellt. Die erste gigakommerzielle Umsetzung im Bereich der Elektromobilität zeichnet sich jedoch erst bei den halbfesten Konzepten ab oder befindet sich noch im Entstehen.

Die erreichte Energiedichte von Feststoffbatterien hängt von den verwendeten Technologien in Anode, Kathode und Elektrolyt ab. Dies liegt nicht nur an den unterschiedlichen spezifischen Gewichten der Festelektrolyte (Oxide sind zum Beispiel recht schwer, während polymerbasierte Materialien eher leicht sind), sondern ist immer das Ergebnis des Gesamtzellendesigns, z. B. der Dicke des Separators und der Elektrodenschichten, dem Füllanteil der Katholyten und insbesondere dem verwendeten Anodenkonzept. Abbildung 2 zeigt die angekündigte spezifische Energie verschiedener SSB-Zellen und -Hersteller. Abhängig von der ausgewählten Technologie schwanken die Werte um 400 Wh/kg.

© Fraunhofer ISI
Technologieübersicht und spezifische Energie von Feststoffbatteriezellen und Herstellern

Wie werden sich Feststoffbatterien weiter entwickeln?

Unternehmen wie Pro Logium aus Taiwan haben bereits 2021 ihre Intention für die Massenproduktion von Feststoffbatterien angekündigt. Ziel war es, bis 2023 in den Markt einzutreten. Obwohl eine Produktionskapazität von 1-2 GWh bis 2022 beabsichtigt wurde, deutet die Eröffnung einer Giga-Level Solid-State-Fabrik im Januar 2024 auf eine Verzögerung um etwa ein bis zwei Jahre hin.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei US-amerikanischen Unternehmen wie Quantumscape und Solid Power. Quantumscape plante zunächst, bis 2024 eine Produktionskapazität von 1 GWh zu erreichen, die bis 2026 auf 20 GWh erhöht werden sollte. Aktuelle Berichte weisen jedoch darauf hin, dass eine erste Pilotfertigung mit niedrigen Stückzahlen erst Ende 2024 geplant ist, und die Großproduktion erst 2025 beginnen soll.

Ähnlich kündigte Solid Power in 2021 an, dass der Produktionsstart einer ersten industriellen Linie Anfang 2026 erfolgen sollte und die Massenproduktion von Feststoffelektrolyten bereits 2023 beginnen sollte. Nun wird die Massenproduktion von Festelektrolyten erst ab 2026 in Aussicht gestellt. Trotz der Ankündigung weiterer Pilotlinien ab 2025 scheint eine industrielle Produktion noch nicht in vollem Umfang realisiert worden zu sein.

Die Roadmap für die breitere Einführung von SSB-Batterien in Elektrofahrzeugen bleibt also weiterhin spekulativ. Unternehmen müssen die bisher demonstrierten und automotive-tauglichen Produkte bis zur Produktion weiterentwickeln.

 

Die verwendeten Daten stammen aus dem Forschungsprojekt BEMA2020, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde (Förderkennzeichen 03XP0272B)

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