Verkehrspolitische Maßnahmen für den Klimaschutz im Fokus: Akzeptanz und Aktivierungspotenzial in der Bevölkerung

Von Josephine Tröger, Elisabeth Dütschke, Marvin Helferich (Fraunhofer ISI) und Christian Scherf (M-Five) /

In einer repräsentativen Befragung unter Bürger:innen in Deutschland haben wir untersucht, wie Politikmaßnahmen für Klimaschutz im Verkehrsbereich mit sozialem Zusammenhalt in Verbindung stehen: Welche Maßnahmen einen die Gesellschaft und welche haben das Potenzial zu spalten? Dabei interessierte uns auch, inwiefern sich Menschen aktiv für oder gegen einzelne Politikmaßnahmen einsetzen würden. Die Ergebnisse zeigen, dass nur wenige Instrumente tatsächlich polarisieren, vor allem ein Tempolimit auf Autobahnen. Bei vielen weiteren Politikmaßnahmen zeigt sich jedoch über verschiedene Gruppen hinweg eine breite Einigkeit, wie beim Deutschlandticket oder dem Ausbau von Fahrradstraßen.

So sind wir in der Studie vorgegangen

Wir – das Fraunhofer ISI und M-Five – haben im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums umfassend die Akzeptanz von verschiedenen verkehrspolitischen Maßnahmen untersucht, die zum Klimaschutz beitragen sollen. Dafür haben wir vom 18. Oktober bis zum 9. November 2024 eine Online-Umfrage unter 2.108 Teilnehmenden durchgeführt, die nach Alter, Geschlecht, Einkommen und Bundesland repräsentativ für die Bevölkerung in Deutschland rekrutiert wurden. 

© Fraunhofer ISI
Abbildung 1: Bewertung der ausgewählten Politikmaßnahmen im Verkehrsbereich. Ein Wert größer als 3 deutet auf eine durchschnittliche Befürwortung der Maßnahme in der Bevölkerung hin (grüne Balken). Ein Wert unter 3 deutet auf eine durchschnittliche Ablehnung der Politikmaßnahme hin (rote Balken).
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Abbildung 2: Durchschnittliche Bevölkerungsakzeptanz und Aktivierungspotenzial zum Ausbau von Fahrradstraßen.
© Fraunhofer ISI mit Icons von Flaticon (Freepik/, Adury5711, juicy_fish, noomtah, logisstudio)
Abbildung 3: Auf diesen Wegen würden sich die Befragten für oder gegen den Ausbau von Fahrradstraßen einsetzen. Mehrfachnennungen waren möglich. Die Prozentangaben beziehen sich auf die Anteile in der Gesamtstichprobe.

Zustimmung für Alternativen zum Auto, Ablehnung für Pkw-Maut und stärkere Parkraumbepreisung

Insgesamt sehen wir in der Befragung eine breite Zustimmung zu Maßnahmen, die den Zugang zu Pkw-Alternativen unterstützen und deren Nutzung freiwillig ist. Die höchste Zustimmung gibt es für das Deutschlandticket und Fahrradstraßen – und das über alle gesellschaftlichen Gruppen hinweg (siehe Abbildung 1).

Neben der Akzeptanz einer Politikmaßnahme haben wir auch das »Aktivierungspotenzial« ausgewählter Maßnahmen abgefragt: Die befragten Personen gaben zunächst an, ob sie einer Politikmaßnahme eher zustimmen oder sie eher ablehnen. Im Anschluss an ihre Zustimmung beziehungsweise Ablehnung haben wir sie gefragt, inwiefern sie bereit wären, sich aktiv für beziehungsweise gegen die Einführung dieser Maßnahme einzusetzen.  

Möglichkeiten sich zu engagieren, umfassten beispielsweise, ob sie eine Online-Petition unterschreiben, an einer Demonstration teilnehmen oder eine Partei (nicht) wählen würden, wenn die jeweilige Maßnahme in ihrem Programm auftaucht. Die Befragten konnten hier aus einer Liste mit vorgegebenen Optionen mehrere Möglichkeiten auswählen. Damit konnten wir analysieren, ob eine Politikmaßnahme zusätzlich zur durchschnittlichen Akzeptanz das Potenzial hat, die Bevölkerung für oder gegen die Maßnahme zu mobilisieren.

Positivaktivierungspotenzial beim Ausbau von Fahrradstraßen 

Beispielhaft für das mögliche Engagement ist der Ausbau von Fahrradstraßen. Hier finden wir ein Positivaktivierungspotenzial. Das bedeutet: 51 Prozent der Befragten geben an, dass sie bereit sind, sich für die Umsetzung der Maßnahme aktiv einzusetzen, 19 Prozent würden sich dagegen einsetzen (siehe Abbildung 2).

Der beliebteste Weg, sich für oder gegen Fahrradstraßen zu engagieren, ist das Unterschreiben einer Online-Petition (33 Prozent der Befragten würden dafür unterschreiben, 12 Prozent dagegen, siehe Abbildung 3). 

Restriktive Maßnahmen im Verkehr (Null-Emissions-Zonen, Tempolimit von 30 km/h in Städten und Dörfern) sowie finanzielle Maßnahmen (stärkere Parkraumbepreisung, CO2-bezogene Pkw-Maut) sind dagegen unbeliebter. Bemerkenswert ist hier, dass sich insbesondere bei den Null-Emissions-Zonen 38 Prozent der Befragten dagegen engagieren würden, aber auch 28 Prozent dafür. Hier gibt es also ein Potenzial für eine Spaltung der Bevölkerung.

Auch stärkere Parkraumbepreisung und Pkw-Maut haben Aktivierungspotenzial: Knapp die Hälfte der Befragten würde sich gegen diese Maßnahmen einsetzen. Gleichzeitig gibt es deutlich weniger Menschen (je rund 20 Prozent), die für diese Maßnahmen aktiv werden würden. Hier besteht also ein geringeres Spaltungspotenzial, denn eine Mehrheit der Bevölkerung steht diesen Maßnahmen ablehnend gegenüber.

Vielschichtige Faktoren beeinflussen die Akzeptanz von Mobilitätsmaßnahmen  

Eine detailliertere Betrachtung der Akzeptanzwerte nach Wahlneigung zeigt, dass die Anhänger:innen der verschiedenen Parteien durchaus unterschiedliche Vorlieben haben, welche Maßnahmen im Verkehrsbereich sie unterstützen oder ablehnen. Personen, die der Partei Bündnis90/Die Grünen nahestehen, unterstützen die meisten der abgefragten Maßnahmen anteilig stärker als die Personen, die den anderen Parteien nahestehen – außer hinsichtlich der strombasierten synthetischen Kraftstoffe für den Straßenverkehr, den sogenannten E-Fuels. Diese Maßnahme steht bei Befürworter:innen der Linken sogar leicht höher im Kurs. Jedoch finden sich für alle Maßnahmen in der Anhängerschaft aller Parteien sowohl Unterstützer:innen als auch Gegner:innen.

Weitere Unterschiede gibt es beispielsweise hinsichtlich der Lage des Wohnorts: Viele Maßnahmen werden von Personen in städtischeren Regionen in der Tendenz eher unterstützt. Dies ist aus mehreren Gründen plausibel: Einige Maßnahmen bringen mehr Nutzen innerhalb der Städte, beispielsweise ein Tempolimit innerorts. Weiterhin ist die Abhängigkeit vom Auto außerhalb von Städten höher und viele Maßnahmen zielen auf Veränderungen beim Autofahren. Zu ähnlichen Ergebnissen sind wir auch im Projekt MobilKULT gekommen.

Hinsichtlich des Geschlechts zeigt sich, dass sich Frauen tendenziell eher für das Tempolimit auf Autobahnen, den Umweltbonus sowie das Klimageld einsetzen. Bei der Förderung von E-Fuels für den Straßenverkehr sind sie etwas ablehnender als Männer. Bei manchen Politiken wächst mit dem Alter der Befragten die Zustimmung (zum Beispiel beim Tempolimit auf Autobahnen), bei anderen nimmt hingegen die Zustimmung mit dem Alter ab (zum Beispiel bei stärkerer Parkraumbepreisung).

Hinsichtlich der formalen Bildung zeigt sich, dass mit zunehmendem Bildungsgrad häufig auch eine Befürwortung der Maßnahmen einhergeht. Dies gilt jedoch nicht für den Umweltbonus, Social Leasing und Klimageld; dort bestehen keine Unterschiede in der Zustimmung beziehungsweise Ablehnung der Maßnahmen entlang des Bildungsgrads.

Soziale Ausgestaltung findet weitgehend Unterstützung

In die Befragung haben wir auch Maßnahmen aufgenommen, die eine soziale Ausgestaltung vorsehen und damit einkommensschwache Haushalte stärker berücksichtigen. Dazu zählen die Förderung von Elektromobilität in Form eines sozialen Leasing-Angebots für E-Autos an finanzschwache Haushalte (Social Leasing), die Zahlung eines einkommensabhängigen Umweltbonus beim Neukauf eines Elektrofahrzeugs oder ein ermäßigtes Deutschlandticket für Empfänger:innen von Bürgergeld.  

Sozial ausgestaltete Maßnahmen finden generell hohe Unterstützung. Die soziale Ausgestaltung von Maßnahmen kann die Zustimmung auch erhöhen, zum Beispiel wenn es um die Frage »pauschales oder einkommensabhängiges Klimageld?« geht. Ein detaillierter Blick zeigt, dass die Akzeptanz bei sozialer Ausgestaltung zum Teil in niedrigeren Einkommensgruppen stärker ist als in hohen, zum Beispiel beim einkommensabhängigen Umweltbonus.

Fazit

Insgesamt zeigt sich, dass viele politische Maßnahmen, die dem Klimaschutz in der Mobilität dienen sollen, in der Bevölkerung beliebt sind. Die Ergebnisse unterstreichen aber die Notwendigkeit, bei der Wahl und Ausgestaltung dieser Maßnahmen Spaltungspotenziale in der Gesellschaft genauer zu berücksichtigen. Hierbei ist sowohl die Wirkung auf Befürtworter:innen wie auch auf Gegner:innen zu bedenken und deren mögliches Frustrationspotenzial einzuplanen. Die Ausgestaltung der Politikmaßnahmen nach sozialen Kriterien, um Teilhabe und Akzeptanz in der Bevölkerung zu fördern, kann dabei ein wichtiger Baustein sein.

 

Veröffentlichung

Tröger, J.; Dütschke, E.; Helferich, M.; Scherf, C.; Emmerich, J. (2025): Akzeptanz von Mobilitätspolitiken für den Klimaschutz in verschiedenen Bevölkerungsgruppen – Ergebnisse einer deutschlandweit repräsentativen Umfrage 2024 [Foliensatz zur Berichterstattung]. Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI Karlsruhe und M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics Karlsruhe. Doi: 10.24406/publica-4289