Wie ändern sich Innovationsprozesse durch KI? Projekt am Fraunhofer ISI analysiert Ansätze und Perspektiven
Die Diskussion über künstliche Intelligenz (KI) und Innovationen wird derzeit von ChatGPT und anderen Dialogsystemen, die auf maschinellem Lernen basieren, dominiert. Dabei steht die Frage im Vordergrund, wie originell und neu die Ergebnisse von KI-Chatsystemen wirklich sind. Die Innovationsforschung hat sich aber schon vor der ChatGPT-Welle mit den Auswirkungen von KI auf Innovationen beschäftigt und dabei sowohl existierende innovationstheoretische Ansätze fruchtbar gemacht als auch spannende, wenngleich teilweise spekulative, Überlegungen angestellt.
In einem internen Forschungsprojekt des Fraunhofer ISI wurden diese Ansätze nun recherchiert und ausgewertet und mit den eigenen Arbeiten des Instituts im Themenfeld KI abgeglichen. In diesem Blog stellen die Autoren Malte Busch und Daniel Duwe die Hauptergebnisse dieses Projekts vor und versuchen, eine Verbindung herzustellen zwischen der Mikroebene des Innovationsmanagements („KI im betrieblichen F&E-Management“), der Mesoebene der Innovationsdiffusion („KI als General Purpose Technology“) und der Makroebene der Innovationswirkungen („KI für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Transformation“).
Wie zu erwarten, gibt es keine einfache Antwort auf die Frage, welche Auswirkungen KI auf den Innovationsprozess hat. Die Analyse der in diesem Projekt durchgeführten Publikationsrecherche zeigt, dass sich ein Großteil der Publikation mit der Frage beschäftigt, wie KI das betriebliche Management von F&E verändert und wie durch KI neue Ideen, Produkte und Services entstehen können.
KI im betrieblichen F&E-Management
Typische Anwendungsfelder von KI im Rahmen von betrieblichen Innovationsvorhaben haben z.B. Leitl et al. 2021 in ihrem Aufsatz: „Maschinen sind kreative Zerstörer“ identifiziert. Sie zählen sechs Bereiche auf, in denen KI als „Innovationsbeschleuniger“ wirkt:
- Trends erkennen: Als Beispiel wird die US-amerikanische Börsenaufsicht SEC genannt, deren Computersysteme Texte, Bilder und Videos auf Trends hin analysieren und maßgeschneidert zusammenfassen.
- Erkenntnisse über das Nutzerverhalten gewinnen: Bspw. nutzen Flughäfen KI-Modelle, um Ursachen für Verzögerungen herauszufinden.
- Personas erstellen: Anbieter werten unterschiedliche Datenquellen aus, um eine typische Kundengruppe visuell darzustellen.
- Ideen sichten: Bspw. hilft eine spezielle KI dem Logistikunternehmen DHL bei jährlich 60.000 Vorschlägen für Verbesserungen und neue Ideen die besten herauszufiltern.
- Designs entwickeln: KI „lernt“ basierend auf vorherigen Designs. Als Beispiel sind die mithilfe von KI-Modellen entworfenen Stühle des Designers Philippe Starck genannt.
- Prototypen testen: Bspw. kann die KI aufgrund vieler dokumentierter Geschmackstests simulieren, wie ein bestimmtes Nahrungsmittel von bestimmten Zielgruppen empfunden wird.
Mit der KI-gestützten Entwicklungs- und Umsetzungsphase neuer Ideen beschäftigen sich auch Häfner et al. (2021) in ihrem Artikel: „Artificial intelligence and innovation management: A review, framework, and research agenda.“ Die Autoren sortieren die von ihnen recherchierten KI-Anwendungsfälle in eine 4-Felder-Matrix (siehe Abb. 1). Die Hauptaussage ist dabei, dass KI zum einen dazu beitragen kann, schneller zu Innovationen zu kommen, weil Massendaten gezielt und mit hoher Geschwindigkeit ausgewertet werden können. Zum anderen erweitert KI den Suchraum für Ideen und neue Produkte, weil sie unterschiedliche Datenquellen kombiniert und Zusammenhänge „erkennt“, die Menschen aufgrund der unüberblickbaren Datenfülle entgehen.
Abb. 1 Anwendungsfelder von KI im betrieblichen Innovationsprozess
Die anspruchsvolleren Einsatzgebiete sind in der unteren Zeile von Abb. 1 aufgeführt: Die Autoren führen als Beispiel für die „intelligente“ Kombination von Daten eine KI-Designlösung für Flugzeuge an, die auf Wachstumsmustern von Schleimpilzen und Säugetierknochen basiert. Eine Lösung, auf die menschliche Entwickler bei Airbus bis dahin von alleine nicht gekommen waren (Häfner et al. 2021. S. 5). Da solche Bionik-Lösungen in der Luft- und Raumfahrt allerdings nicht gänzlich neu sind, bezeichnen die Autoren diese Lösung als „AI-innovation in related knowledge domains“. Interessant wird es allerdings, wenn die KI aus der Kombination von „unrelated knowledge domains“ Innovationen erzeugen soll. Wie dies genau funktionieren soll, darüber können die Autoren keine Auskunft geben. Sie verweisen generell auf die Möglichkeiten des „unsupervised reinforcement learnings“, einem Unterbereich des Machine Learnings, bei dem Menschen keine Lernrichtung vorgeben, sondern das Programm selbst „lernen“ lassen wollen. Diese Methode werde, so spekulieren die Autoren, in Zukunft interessante Wege für Kreativität und Innovation eröffnen.
Eine weitere Analyse von KI-Auswirkungen auf Innovationen legen Verganti et al. (2020) in ihrem Aufsatz: „Innovation and Design in the Age of Artificial Innovation“ vor. Grundlage für Innovationen im KI-Zeitalter sind für Verganti et al. (2020) wie für Häfner et al. (2021) Massendaten und deren Verarbeitung, wie sie von Menschen nicht bewerkstelligt werden können. Bei Verganti et al. geht es dabei insbesondere um Nutzungs- und Verkaufsdaten. Anhand der Beispiele Netflix und Airbnb wird gezeigt, wie Produkt- und Serviceinnovationen durch die Kombination von gespeicherten individuellen Nutzungsdaten und Zielgruppendaten „on the spot“ entstehen können. Bei Netflix geht es danach nicht nur um die personalisierte Präsentation von Filmen, die die Nutzer und Nutzerinnen interessieren könnten, sondern auch darum, mit welchem Screenshot der jeweilige Film präsentiert wird. Beides sind Entscheidungen, die ein Programm in Echtzeit trifft. Damit werde, so die Autoren, der Innovationsprozess in das Innere von KI-Systemen verlagert. Auch bei Airbnb finden umfangreiche Nutzungsaufzeichnungen statt („Wie lange verweilen Nutzer auf der Gesamtliste, welche Objekte klicken sie weg, auf welche Darstellungen sprechen sie an?“). Die aufgezeichneten Daten werden anschließend von einer KI analysiert, um beim nächsten Aufruf individuell angepasste Buchungsanreize zu setzen (Verganti et al. 2020. S. 220). Wenn sich automatisierte Service-Innovationen dieser Art in Zukunft weiterverbreiten, welche Aufgabe hat dann noch der Mensch im Innovationsprozess, fragen die Autoren. Ihre Antwort: Weil die KI künftig in der Lage sein wird, die in Teilschritte zergliederten Design- und Innovationsprozesse vollständig automatisiert zu erledigen, wird der Mensch nicht mehr zur Problemlösung benötigt, sondern zur Problemfindung: „The core of this activity is not problem solving, but problem finding“, so Verganti et al. (2020, S. 224).
Nach unserer Recherche steht in vielen Veröffentlichungen der Bereich der Ideenfindung und –umsetzung im Vordergrund. Es sollte jedoch nicht vergessen werden, dass auch die Testphase neuer Produkte und die Markteinführungsphase von KI unterstützt werden kann: In der Testphase kann KI zur Messung der Wirksamkeit und Erfolgswahrscheinlichkeit von Produktkandidaten und –alternativen eingesetzt werden. Und in der Markteinführungsphase ermöglicht KI eine zielgenauere Ansprache der Kunden zur Vermarktung, insbesondere auf den digitalen Vertriebskanälen.
KI als General Purpose Technology und Erfindungsmethode
In ihrem 2018 veröffentlichten Aufsatz „The impact of articifial intelligence on innovation“ gehen Cockburn et al. über die betriebliche Ebene hinaus und fragen aus einer innovationstheoretischen Perspektive nach den Auswirkungen von KI. Basierend auf einer Patent- und Publikationsanalyse, die nicht nur einen starken quantitativen Anstieg, sondern vor allem eine starke Diffusion in heterogene Forschungs- und Anwendungsbereiche hinein zeigt, schließen die Autoren, dass KI künftig die Spielregeln für Innovationen verändern wird. Denn zum einen handele es sich bei KI um eine so genannte General Purpose Technology (GPT, nicht zu verwechseln mit „Generative Pre-trained Transformer“ wie bei ChatGPT), die in ganz unterschiedlichen Anwendungsfeldern zum Einsatz kommen kann. Und zum anderen handele es sich bei den „Deep Learning“-Methoden der künstlichen Intelligenz nicht nur um Methoden der Effizienzsteigerung existierender Erkenntnis- und Produktionsprozesse, sondern um die Erfindung einer Erfindungsmethode („invention of a method of invention“). Beide Konzepte sind in der Innovationsforschung weit verbreitet, sie treffen empirisch jedoch nur auf sehr wenige Technologien zu. Beispiele für GPTs sind der elektrische Motor oder der Mikroprozessor, beides Erfindungen, die vielfältige organisatorische und wirtschaftliche Umwälzungen mit sich brachten. Und als Beispiele für die Erfindung einer Erfindungsmethode werden von Cockburn et al. (2018) optische Linsen angeführt, die zur Zeit der Renaissance eine ganze Reihe neuer Forschungsinstrumente (Mikroskop, Teleskop) und Produkte (Brillen, Ferngläser) hervorbrachten und letztlich enorme Auswirkungen auf die Wissenschaft, den technologischen Wandel und das Wirtschaftswachstum hatten.
Das enorme Veränderungspotenzial, das die Autoren nun der KI-Technologie des Deep Learning zuschreiben, ergibt sich daraus, dass es sich ihrer Einschätzung nach sowohl um eine General Purpose Technology handelt, als auch um die Erfindung einer Erfindungsmethode (siehe Abbildung 2). KI werde – zumindest in ihrer Ausprägung als „selbstlernende KI“ – die Spielregeln für Innovationen, das so genannte „Innovation Playbook“, verändern und ungeahnte neue Erkenntnisse ermöglichen.
Abb. 2: Deep Learning als GPT und Erfindungsmethode
Ähnlich wie bei Häfner et al. (2021) werden auch bei Cockburn et al. (2018) sich abzeichnende Erfolge der selbstlernenden KI spekulativ in die Zukunft verlängert: Während Häfner et al. (2021) die Erfolge bei der Konzeptübertragung bei Kunst, Mode und Design für weitreichende Spekulationen über die automatische Kombination von heterogenen Konzepten in der Zukunft verwenden, basieren die Spekulationen von Cockburn et al. (2018) vor allem auf den Erfolgen KI-basierter Suche nach neuen Wirkstoffen in der Arzneimittelforschung, welche dann auf weitere Gebiete übertragen werden.
Tatsächlich zeigt sich in solchen Ansätzen, wie viele Fragen im Kontext der Analyse von KI in Innovationsprozessen noch offen sind – von einer einheitlichen Vorstellung, wie sich KI künftig auf Innovationsprozesse auswirken wird, sind wir ganz offensichtlich noch weit entfernt.
KI für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Transformation
Auf der Makroebene stellt sich die Frage, wie KI eingesetzt werden kann, um bestimmte wirtschaftliche und gesellschaftliche Ziele zu erreichen und welche Voraussetzungen und Herausforderungen es hierbei gibt. Die Vorstellung einer General Purpose Technology muss hierbei wieder in Branchen, Sektoren oder Politikfelder zurückübersetzt werden, um sie einer Analyse zugänglich zu machen. Denn, dass KI Auswirkungen auf das Innovationssystem als Ganzes hat (im Sinne von Kuhlmann; Arnold 2001) ist unstrittig. Welche Auswirkungen dies genau sind, lässt jedoch nur in spezifischen Kontexten erforschen.
Im Folgenden richtet sich der Blick exemplarisch auf fünf Anwendungskontexte: Die Energiewende, den Bereich Umwelt, Nachhaltigkeit und Verkehr, den Unternehmensbereich, den Gesundheitsbereich und der Bereich der Smart Cities bzw. Smart Villages (Abb. 3).
Abb. 3: Domänenspezifische Analyse der Auswirkungen von KI auf Innovationen
In allen genannten Bereichen werden am Fraunhofer ISI Forschungsprojekte durchgeführt, die Beiträge zur Frage liefern, welche spezifischen Veränderungen vom Einsatz künstlicher Intelligenz ausgehen. Zunächst geht es in den Forschungsprojekten um die Frage der Impacts: Wie kann KI dazu beitragen, dass die Energiewende effizienter gelingen kann, dass Umwelt- und Nachhaltigkeitsziele erreicht werden können, dass Unternehmen effizienter und innovativer sein können, dass der Gesundheitsbereich effizienter wird oder dass Smart Cities oder Smart Villages entstehen können.
Im Vordergrund steht also die sehr praktische Frage, wie KI zu den Transformationen der jeweiligen Bereiche beiträgt, d.h. welche Rolle KI bei der Erreichung vorgegebener Ziele spielt. Hier kann die Analyse an Erkenntnisse aus der Digitalisierungsforschung anknüpfen; KI wird als nächster Schritt einer umfassenden Digitalisierungsentwicklung gesehen. Voraussetzungen des KI-Einsatzes, wie z.B. die Verfügbarkeit von Massendaten oder von Kompetenzen sind hier ebenso von Interesse wie die Frage, wie Innovationen in das System kommen (über etablierte oder neue Akteure, über veränderte Nachfrage oder erhöhten Kostendruck, über Wettbewerb oder staatliche Regulierung usw.).
In dem jetzt abgeschlossenen Forschungsprojekt des Fraunhofer ISI wurden Expertinnen und Experten in den verschiedenen Abteilungen des Instituts befragt, welches für sie die interessantesten Fragestellungen im Hinblick auf die Innovations- und Transformationswirkungen von KI sind. Im Folgenden soll ein Auszug aus den Antworten das Spektrum der Antworten aufzeigen:
Energiewende
Wie kann KI dazu beitragen, die Energiewende effektiver und effizienter zu gestalten? Hier geht es u.a. um die Entwicklung smarter Systeme zur Integration von erneuerbaren Energien in das Stromnetz und um die Steuerung von dezentralen Energiesystemen, insbesondere durch die Steuerung der Stromnachfrage. Dazu müssen Verbrauchsdaten aus den Haushalten und Unternehmen mit Hilfe von KI ausgewertet und prognostiziert werden.
Umwelt, Nachhaltigkeit und Mobilität
Wie trägt KI dazu bei, Umwelt- und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen? KI-gestützte Verkehrssysteme können z.B. dazu beitragen, Verkehrsflüsse zu optimieren und damit Umweltwirkungen zu reduzieren. Mit KI unterstützte, digitale Plattformen können nachhaltige Produkte empfehlen. Im Bereich der Umweltwirkungen spielt auch der Energieverbrauch von KI-Systemen selbst eine wichtige Rolle. Rebound-Effekte können Einsparungseffekte zunichtemachen.
Unternehmensbereich
Wie können Innovationsprozesse im Unternehmensbereich durch KI effizienter gestaltet werden? Welche neuen Produkte und Dienstleistungen werden durch den Einsatz von KI möglich? Wie oben ausgeführt, gibt es vielfältige Einsatzmöglichkeiten von KI im Unternehmensbereich, wobei sich die Auswirkungen auf den Innovationsprozess selbst erst in Ansätzen erkennen lassen.
Gesundheitsbereich
Welchen Beitrag kann KI leisten, um ein qualitativ besseres und gleichzeitig kostenbewusstes Gesundheitssystem zu realisieren? Neben dem erwähnten Einsatz von KI zur Wirkstoffidentifizierung im Pharmabereich kann KI prinzipiell an vielen Stellen im Gesundheitsbereich eingesetzt werden, um die Qualität der Versorgung zu verbessern. Diskutiert werden hier Veränderungen im Arzt-Patient-Verhältnis, die sich durch die Nutzung von KI zur Entscheidungsunterstützung bei der Diagnose und der Therapie ergeben.
Smart Cities und Smart Villages
Wie kann KI zur Realisierung von Smart Cities/ Smart Villages beitragen? Städte und Orte werden durch digital gesteuerte und in Echtzeit koordinierte Teilsysteme „smart“. KI kann dabei die Koordination der Teilsysteme verbessern und Verknüpfungen herstellen, die Menschen verborgen bleiben (z.B. zwischen Verkehrs- und Energiesystemen). Auch die Stadtplanung kann von KI profitieren, z.B., wenn diese den Bedarf an neuen Wohnungen oder Geschäften in bestimmten Stadtteilen prognostiziert, indem demografische und sozioökonomische Daten analysiert werden.
Fazit und offene Fragen
Nach der Betrachtung von Innovationsprozessen auf der Mikro-, Meso- und Makroebene stellt sich die Frage, welche Verbindungen es zwischen diesen Ebenen gibt. Denn prinzipiell handelt es sich um unterschiedliche Analyseeinheiten, an die lediglich dieselbe Frage angelegt wird: „Wie verändert KI die jeweiligen Innovations- und Transformationsprozesse?“ Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass auf allen drei Ebenen folgende Aspekte eine wichtige Rolle spielen:
- Die Verfügbarkeit und Vernetzungsfähigkeit großer Datenbestände,
- Die Expertise und das Know-How im Umgang mit Big Data und lernenden Systemen,
- Die Robustheit und Verlässlichkeit von KI-basierten Analysen und Prognosen sowie
- Das Vertrauen von Nutzerinnen und Nutzern in die jeweiligen KI-Systeme.
- Sowohl im betrieblichen FuE-Managment, als auch bei der Analyse von Diffusionsverläufen und der Abschätzung von Innovationswirkungen spielen diese (und weitere) Aspekte eine wichtige Rolle.
Neben verbindenden Elementen gibt es aber auch offene Fragen, die sich auf allen drei Ebenen stellen und die zunächst domänenspezifisch und in einem zweiten Schritt in übergreifender Perspektive beantwortet werden müssen:
- Werden Innovationsprozesse durch KI lediglich beschleunigt oder entsteht durch den Einsatz von KI etwas prinzipiell Neues? Wie oben gezeigt, kann KI für beides eingesetzt werden, wobei zum einen definiert werden müsste, wo genau die Grenze zwischen Verbesserung und Neuem verläuft und zum anderen, inwiefern es sich bei der Übertagung von Konzepten aus unterschiedlichen Domänen schon um einen kreativen Prozess handelt, der originär Neues erzeugt.
- Braucht es für Innovationen den Bruch mit der Vergangenheit oder reicht es aus, aus vergangenen Daten zukünftiges Verhalten oder neue Konzepte abzuleiten? Weil aktuelle KI-Lösungen auf historischen oder Echtzeit-Daten basieren, bleiben alle KI-Innovationen innerhalb der vorgegebenen (Daten-) Räume. Entscheidende, „out-of-the-box“-Innovationen erfordern, so könnte man argumentieren, aber einen Blick über System- und Datengrenzen hinaus – eine Fähigkeit, die bis heute ausschließlich Menschen zugeschrieben wird.
Zum Schluss ist festzuhalten, dass es noch zu wenige konkrete Anwendungsfälle gibt, die zeigen, wie KI genau eingesetzt wurde, um Innovationen zu schaffen oder zu unterstützen. Erst mit einer größeren Datenbasis ist es möglich, gemeinsame Elemente, übereinstimmende Anforderungen und Best-Practice-Strategien zu identifizieren und Antworten auf die übergreifenden Fragestellungen zu finden. Die KI-bezogenen Projekte des Fraunhofer ISI tragen dazu bei, diese Datenbasis kontinuierlich zu erweitern und weitreichendere Antworten auf die Frage nach den Innovationswirkungen künstlicher Intelligenz zu finden.
Literatur
- Kuhlmann, Stefan; Arnold, Erik (2001): RCN in the Norwegian Research an Innovation Systems. Synthesis Report in the Evaluation of the Research Council of Norway, Karlsruhe: Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung.
- Verganti, Roberto; Vendraminelli, Luca Iansiti, Marco (Stockholm School of Economics) (2020): Innovation and Design in the Age of Artificial Intelligence. In: Journal of production innovation management 37(3), p. 212–227.
- Häfner, Naomi; Wincent, Joakim; Parida, Vinit; Gassmann, Oliver (2021): Artificial intelligence and innovation management: A review, framework, and research agenda. In: Technological Forecasting and Social Change, Vol 162, 120392.
- Cockburn, Iain M.; Henderson, Rebecca; Stern, Scott (2018): The Impact of Artificial Intelligence on Innovation. National Bureau of Economic Research. Working Paper Series, No. 24449, March, www.nber.org/papers/w24449
- Leitl, Michael; Brandolisio Alessandro; Golta Karel J. (2021): Maschinen sind kreative Zerstörer. In: Harvard Business manager 9/2021