Interview mit den neuen ISI-Nachhaltigkeitsbeauftragten

»Das ISI ist nur so nachhaltig wie seine Mitarbeitenden«

von Julia Weller /

Im März 2022 haben am Fraunhofer ISI die ersten offiziellen Nachhaltigkeitsbeauftragten ihr Amt angetreten. Lena Kappler, Projektkoordinatorin aus dem Competence Center Energietechnologien und Energiesysteme, und Frank Marscheider-Weidemann, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Competence Center Nachhaltigkeit und Infrastruktursysteme, können sich nun dank eines zweckgebundenen Zeitkontingents um Nachhaltigkeitsthemen am Institut kümmern. Langfristiges Ziel ist die Implementierung einer institutsweiten Nachhaltigkeitsstrategie zur Unterstützung und Erreichung des Fraunhofer-Ziels »Klimaneutralität bis 2030«. Warum sie sich für die Aufgabe entschieden haben und wie sie nun in ihr Amt starten, das verraten die beiden im Interview.

Die Nachhaltigkeitsbeauftragten schätzen die grüne Nachbarschaft des Instituts in der Karlsruher Waldstadt.
© Fraunhofer ISI/Julia Weller
Wann immer es ihnen möglich ist, kommen die Nachhaltigkeitsbeauftragten des Fraunhofer ISI, Lena Kappler und Frank Marscheider-Weidemann, mit dem Rad ans Institut.

Ihr seid die ersten offiziellen ISI-Beauftragten für Nachhaltigkeit. Was bedeutet der Begriff für euch persönlich?

Lena Kappler: Ich verstehe unter Nachhaltigkeit einerseits alles, was mit Energie zu tun hat: wie wir damit umgehen, wie wir Energie sparen können; oder auch, dass wir das Gebäude nachhaltig gestalten. Aber auch soziale Aspekte zählen für mich dazu, also Diversity oder dass das ISI Weiterbildungen fördert. Ganz persönlich achte ich zum Beispiel darauf, dass ich im Supermarkt eher regionale Produkte kaufe und nicht jedes Jahr ein neues Handy. Ich versuche, meinen Konsum einzuschränken.

Frank Marscheider-Weidemann: Als ich als Junge gesegelt habe,  gab es noch Aale mit Blumenkohlgeschwüren und Initiativen wie »Rettet die Elbe«, ich wurde also früh dadurch geprägt. Energie und CO2 sind für mich nur ein Teil der Umwelt, auch wenn dieser Teil immer wichtiger geworden ist. Ich habe noch miterlebt, wie vor Jahren darüber gestritten wurde, wie man »Sustainability« übersetzt: ob man das »Generationengerechtigkeit« nennen soll oder anders. Mittlerweile würde ich schon sagen, dass heute 90 Prozent der Menschen wissen, was Nachhaltigkeit ist.

Das Wissen mag da sein, aber hat Nachhaltigkeit in der Gesellschaft auch einen ausreichend hohen Stellenwert?

Frank Marscheider-Weidemann: Sicher nicht, sonst gäbe es nicht all die Probleme, die es eben gibt. Aber es hat sich in den letzten Jahren durchaus eine Art Problembewusstsein entwickelt, auch wenn das manchmal sehr fragwürdig ist: Einige Leute sagen stolz, sie haben kein Auto, sie fahren nur mit dem Rad und dem ÖPNV. Und dann schicken sie eine Karte aus Rio und schreiben: »Hallo, wir fliegen morgen nach New York zum Shoppen«. Es spricht also einiges dafür, dass jeder eine eigene Bilanz im Kopf hat. Bei den Sachen, die man sowieso nicht machen möchte, schiebt man die Umwelt als Grund vor und andere Dinge werden trotzdem getan, trotz der Umweltschäden. Vielleicht ist der nächste Schritt, dass künftige Generationen besser einschätzen können, was sie tun. Wenn man einen Joghurt aus Lüneburg kauft statt aus der Pfalz, kannn man das tun und weiß dabei, das kostet jetzt so und so viel mehr Gramm CO2.

Kommen wir denn mit Freiwilligkeit weiter oder seht ihr einen Bedarf für mehr Reglementierung?

Frank Marscheider-Weidemann: Die große Frage ist, wie viel Freiwilligkeit bringt. Man versucht es ja oft mit finanziellen Anreizen. So wie beim Emissionshandel in der EU, der ja auch nicht richtig gut funktioniert hat. Vielleicht wäre es da besser gewesen, man hätte Gesetze gemacht, wie viel jeder emittieren darf, und hätte Strafen in Aussicht gestellt – statt es über den Preis pro Tonne CO2 zu machen, den diejenigen bezahlen müssen, die zu viel emittieren. Das ist halt immer eine Abwägung: Freiwilligkeit ist natürlich schön, aber die Frage ist, ob die Incentives, die es gibt, ausreichen.

Als die Ausschreibung kam: Wusstet ihr direkt, dass ihr Nachhaltigkeitsbeauftragte am ISI werden wolltet?

Lena Kappler: Mich reizte die Stelle, denn ich habe meine Thesis über die Einführung eines Energiemanagementsystems am ISI geschrieben und mich mit der Thematik auseinandergesetzt. Natürlich primär mit den Energiethemen, nicht mit den Nachhaltigkeitsthemen. Und genau deswegen bin ich jetzt auch sehr glücklich, dass ich das zusammen mit Frank machen kann, der sehr viel ISI-Erfahrung mitbringt und auch die Nachhaltigkeitsthemen sehr gut kennt.

Wie seid ihr in die neue Aufgabe gestartet?

Lena Kappler: Wir haben direkt in den ersten Tagen viele gute Ideen von unseren Kolleg:innen geschickt bekommen. Das Ziel ist jetzt erst einmal, alles zu sammeln und zu priorisieren, um dann natürlich so viel wie möglich davon umzusetzen. 

Frank Marscheider-Weidemann und Lena Kappler sind seit 2022 Nachhaltigkeitsbeauftragte am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung.
© Fraunhofer ISI/Julia Weller
Frank Marscheider-Weidemann und Lena Kappler sind seit 2022 Nachhaltigkeitsbeauftragte am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung.

Bei welchen Nachhaltigkeitsthemen sehen die ISIaner:innen denn konkreten Handlungsbedarf?

Lena Kappler: Es kam sehr viel zum Thema Ernährung. Zum Beispiel, dass man faire Snacks und Fair-Trade-Kaffee verkaufen könnte. Dass man auf den Caterer schaut und dass Fleisch nicht durch vegetarisches Essen quersubventioniert wird.

Und was sollte als erstes angegangen werden?

Lena Kappler: Es gibt bereits Gespräche zum Thema PV-Anlage und auch unsere Heizungsanlage soll ausgetauscht werden. Aktuell laufen unsere Heizungsanlagen mit Gas. Letztes Jahr kam die Idee auf, dass wir auf eine Kombination aus Brennwertkessel und einer Luft-Wasser-Wärmepumpe umstellen. Mit dieser Gas-Hybridwärmepumpe würden wir nur noch sehr wenig Gas verbrauchen.

Welche Möglichkeiten hat man bei Fraunhofer als Nachhaltigkeitsbeauftragter?

Frank Marscheider-Weidemann: Wir haben ein Stellenkontingent bekommen, aber keine Handreichung, was wir jetzt machen müssen. Es gibt auch nicht viele Vorbilder an anderen Instituten. Insofern müssen wir die Position jetzt selbst mit Leben füllen. Andererseits gibt es bei Fraunhofer ja bereits einige Initiativen: Vor kurzem fand zum zweiten Mal die Nachhaltigkeitswoche statt, außerdem gibt es eine Nachhaltigkeitsgruppe bei der Zentrale. Was wir uns noch überlegt hatten, ist, alle ISIaner:innen mit einzubeziehen. Es soll beispielsweise Gruppen geben, in denen wir bestimmte Themen behandeln, also Bau, Ernährung, Mobilität… da möchten wir dann Leute einladen, mitzuarbeiten und dadurch die Nachhaltigkeit am Institut auf breitere Beine zu stellen.

In den 90er-Jahren brachte der Verein »ISI Power«, eine Initiative von Mitarbeitenden, eine Photovoltaik-Anlage aufs Dach des Fraunhofer ISI.
In den 90er-Jahren brachte der Verein »ISI Power«, eine Initiative von Mitarbeitenden, eine Photovoltaik-Anlage aufs Institutsdach.

Wie seht ihr das ISI denn bislang aufgestellt?

Frank Marscheider-Weidemann: Im Vergleich zu anderen Instituten ist das ISI gar nicht so schlecht aufgestellt. Ein Beispiel ist ISI-Power, also der Verein, der Photovoltaik aufs Dach gebracht hat: Das kam von ISI-Mitarbeitenden, weil es  aus rechtlichen und versicherungstechnischen Gründen nicht möglich war,  so etwas vonseiten des ISI oder der Fraunhofer-Gesellschaft zu machen.

Haben wir als innovatives Forschungsinstitut eine besondere Verantwortung, mit gutem Beispiel voranzugehen?

Lena Kappler: Ja, auf jeden Fall.

Frank Marscheider-Weidemann: In unserer wissenschaftlichen Arbeit ist es oft so: Wir empfehlen zum Beispiel unseren Kunden Energiemanagementsysteme; und kommen wir dann ans ISI zurück, gibt es solche nicht. Das finde ich an unserem Nachhaltigkeitsauftrag so interessant: Dass wir vielleicht diese Realität, die wir anderen mit auf den Weg geben, auch selber ein bisschen besser umsetzen. 

Wie würdet ihr euch denn das ideale Institut vorstellen – oder machen wir in Zukunft der Umwelt zuliebe ohnehin nur noch Homeoffice?

Lena Kappler: Der persönliche Austausch ist sehr wichtig. Über Teams kann man gut sprechen, aber die gemeinsamen Pausen: Da geht im Virtuellen sehr viel verloren. Die AG »New Work« hat gute Ergebnisse erarbeitet, zum Beispiel die Gestaltung von schönen Interaktionsflächen. Aus Nachhaltigkeitssicht wäre ein Plus-Energiegebäude toll, an dem man E-Fahrzeuge mit PV-Strom laden kann. Und vielleicht finden wir noch innovative Aspekte, an die wir heute noch gar nicht denken.

Das klingt nach einem Gemeinschaftsprojekt – und nach einer großen To-Do-Liste?

Frank Marscheider-Weidemann: Das ISI ist nur so nachhaltig wie seine Mitarbeitenden. Wir haben schon überlegt, wie man den Leuten zum Beispiel klarmachen kann, wie oft sie mit der Bahn fahren können und dabei dieselben CO2-Emissionen verursachen, wie wenn sie einmal von Frankfurt aus das Flugzeug nehmen. Aber wir wollen da auch nicht schulmeistern.

Lena Kappler: Eine Idee war, einen Wettbewerb zu machen: Wer kommt am häufigsten zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Arbeit? So könnten wir positive Anreize setzen.

Frank Marscheider-Weidemann: So etwas gab es ja auch in der Vergangenheit schon mal, von Eberhard Jochem initiiert. Nur gab es dann niemanden, der sich darum gekümmert hat, dass es sozusagen immer „nachhaltiger“ wird. Dafür sind wir jetzt da.