Wie kann der Transformationsprozess zu einer Bioökonomie gestaltet werden?
Klima- und Umweltschutz, Ernährungssicherung und mehr Nachhaltigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft: Viele der aktuellen Herausforderungen könnten stark von einer zukünftigen Bioökonomie profitieren. Dabei ist offen, wie eine solche bio-basierte Wirtschaft aussieht und wie der Weg dorthin gestaltet werden kann. Das kürzlich abgeschlossene und vom BMBF geförderte Projekt »Transformation-Bio« des Fraunhofer ISI ging diesen Fragen nach und erforschte auch, was die Politik tun sollte, um eine Transformation zur Bioökonomie voranzutreiben.
Die Notwendigkeit des Wandels hin zu einer bio-basierten Wirtschaft mit vorteilhaften Auswirkungen auf Nachhaltigkeit und Gesellschaft rückt immer stärker ins öffentliche Bewusstsein – das unterstreichen Initiativen wie die kürzlich vorgestellte »Nationale Bioökonomiestrategie«, mit der sich die deutsche Politik für eine nachhaltige, kreislauforientierte und innovationsstarke Wirtschaft einsetzt, oder das »Wissenschaftsjahr Bioökonomie«. Beide verdeutlichen den gesellschaftlichen und politischen Willen zur Transformation sowie die hohe Priorität einer künftigen Bioökonomie.
Das Projekt »Transformation-Bio« des Fraunhofer ISI untersuchte in diesem Kontext mittels einer Literaturauswertung sowie anhand von Interviews mit verschiedenen Stakeholderinnen und Stakeholdern der Bioökonomie, wie sich der Transformationsprozess bisher entwickelt. Auf Basis mehrerer Expertenworkshops und anhand der Segmente bio-basiertes Plastik, Bio-Kraftstoffe für Flug- und Autoverkehr sowie Bio-Schmierstoffe wurden zudem vier Bioökonomie-Szenarien für das Jahr 2040 entwickelt. Aus allen Erkenntnissen wurden Aspekte und Optionen zur Koordinierung und Gestaltung des Transformationsprozesses abgeleitet und Empfehlungen erarbeitet.
Welche Aspekte werden die Transformation zur Bioökonomie prägen?
Dr. Sven Wydra, Projektleiter von »Transformation-Bio«, erklärt, was es in Bezug auf den Wandel zu einer bio-basierten Wirtschaft künftig zu beachten gilt: »Im Projekt zeigte sich, dass es den einen Weg hin zur Bioökonomie nicht gibt, sondern vielmehr ein großes Spektrum an Transformationsmustern, die auch auf Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Bioökonomie-Segmenten zurückzuführen sind. Diese sind eng miteinander verwoben, etwa durch technologische Synergien. Folglich haben politische Entscheidungen, die auf ein Segment gerichtet sind, erhebliche Auswirkungen für die anderen Segmente und damit auf die Gesamtentwicklung der Bioökonomie«. Laut Wydra haben Akteursentscheidungen und übergreifende Transformationsprozesse im Energie- und Mobilitätssektor sowie in der Material- und Produktionswirtschaft zudem erheblich Rückwirkungen auf den Bedarf an bioökonomischen Produkten und die Entwicklung der entsprechenden Bioökonomie-Segmente. Da der Biomassebedarf gemäß vieler der erarbeiteten Szenarien steigen wird, komme es besonders darauf an, mehr Biomasse nachhaltig zu produzieren und ihre Verwendung zu optimieren – zum Beispiel durch weniger Lebensmittelverschwendung.
Eine zentrale Rolle, so eine weitere Erkenntnis des Forschungsprojekts, wird der Politik als »Transformationstreiber« und den durch sie angestoßenen politischen Maßnahmen zur Realisierung der Bioökonomie zukommen. Eine wichtige politische Aufgabe besteht beispielsweise darin, Konflikte und Widerstände auf dem Weg zur Bioökonomie zu antizipieren und diesen zu begegnen, denn letztendlich muss eine Transformation von solcher Tragweite gesamtgesellschaftlich getragen sein.
Was sollte die Politik tun, um die Transformation zur Bioökonomie zu erreichen?
Die Autorinnen und Autoren der Studie empfehlen, dass die bisherige Bioökonomie-Politik weiter in Richtung einer transformativen Politik entwickelt werden muss. Dabei sollte sie auch auf eine so genannte »reflexive Governance« setzen, was bedeutet, dass der Transformationsprozess stärker von einer grundlegenden Entscheidung über die bevorzugte Richtung der Transformation geleitet werden soll. Diese strategische Richtungsentscheidung wird von einer systematischen Vorausschau begleitet, die verschiedene zukünftige Entwicklungen einer Bioökonomie berücksichtigt. Transformative Politik bedeutet aber auch, dass die politische Gestaltung der Transformation im Hinblick auf die gesetzten Ziele kontinuierlich überprüft wird, daraus gelernt wird und die Politik sich weiterentwickeln kann. Die Bioökonomie-Politik sollte zudem mit anderen Politikfeldern, etwa zur Kreislaufwirtschaft oder Rohstoffversorgung, strategisch verzahnt werden und nicht nur einen Fokus auf Forschungs- und Innovationsförderung legen, sondern stärker im Sinne der Nachhaltigkeit nachfrageorientiert sein. Dialog, Kommunikation und ein hohes Maß an Informationen helfen, Zukunftsoptionen und Zielkonflikte zu erkennen und gesamtgesellschaftliche Veränderungsprozesse anzustoßen. Dabei ist es wichtig, dass die Bioökonomie-Politik langfristig verlässlich, aber auch experimentierfreudig ist.
Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI analysiert Entstehung und Auswirkungen von Innovationen. Wir erforschen die kurz- und langfristigen Entwicklungen von Innovationsprozessen und die gesellschaftlichen Auswirkungen neuer Technologien und Dienstleistungen. Auf dieser Grundlage stellen wir unseren Auftraggebern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft Handlungsempfehlungen und Perspektiven für wichtige Entscheidungen zur Verfügung. Unsere Expertise liegt in der fundierten wissenschaftlichen Kompetenz sowie einem interdisziplinären und systemischen Forschungsansatz.