Digitalisierung im Verarbeitenden Gewerbe: Wie können Unternehmen den digitalen Wandel aktiv gestalten?

Ein kürzlich gestartetes Verbundprojekt unter Leitung des Fraunhofer ISI unterstützt mittelständische Unternehmen aktiv bei der Gestaltung des digitalen Wandels im eigenen Unternehmen. Digitale Technologien bieten zwar Lösungspotenziale, jedoch bedarf es zugleich einer unternehmenskulturellen Transformation. Anhand von Fallbeispielen aus den Sektoren Maschinenbau, Medizintechnik und Kunststoffverarbeitung erarbeitet das Projekt unternehmensspezifische Digitalisierungsstrategien, welche auch organisationsstrukturelle sowie kulturelle Bedingungen des betrieblichen Wandels in den Blick nehmen.

Mit dem Aufkommen der vernetzten Produktion, von digitalen Geschäftsmodellen sowie zunehmend individualisierten Kundenanforderungen stehen kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) vor neuen Herausforderungen. Zwar versprechen digitale Lösungen Effizienz- und Produktivitätssteigerungen, jedoch zeigen Unternehmensbefragungen, dass KMU digitale Lösungen eher zögerlich einführen. Die Gründe hierfür erscheinen vielfältig: Betriebliche Arbeitsabläufe sind typischerweise auf die Reproduktion eingespielter Organisationsmuster und Gewohnheiten ausgerichtet, wohingegen die Einführung digitaler Lösungen potenziell die Veränderung von Prozessen und Strukturen erforderlich macht. Vor diesem Hintergrund, so die zentrale Annahme des Projekts, wirken nicht nur finanzielle Investitionen, gestiegene Anforderungen an die IT-Sicherheit oder das Fehlen von Fachkompetenzen als Barrieren für den digitalen Wandel, sondern auch die Unternehmenskultur selbst.

Das Projekt »Transformation von Unternehmenskulturen durch innovative Prozesstechnik und -organisation in Abhängigkeit KMU-spezifischer Digitalisierungsstrategien (TrueCultureDig)« setzt hier an und untersucht die Möglichkeiten und Grenzen des digitalen Wandels hin zur Arbeit 4.0 anhand konkreter betrieblicher Anwendungsbeispiele, die in den Bereichen Maschinenbau, Kunststoffverarbeitung und Medizintechnik angesiedelt sind. Um die technologischen, organisationsstrukturellen und kulturellen Transformationsprozesse zu verstehen, verknüpft das Projekt wissenschaftliche Expertisen und Methoden-Know-how aus den Sozialwissenschaften sowie der Wirtschaftsinformatik.

Interdisziplinäres Projektkonsortium

Das interdisziplinäre Projektkonsortium umfasst insgesamt sechs Partner: Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI koordiniert den Projektverbund und ist federführend bei der systematischen Erhebung der organisationsstrukturellen und kulturellen Rahmenbedingungen von Digitalisierungsprojekten verantwortlich. Die Arbeiten des Instituts für angewandte Innovationsforschung (IAI) an der Ruhr-Universität Bochum zielen darauf ab, Anwendungsmöglichkeiten für digitale Technologien in KMU zu identifizieren sowie die dafür notwendigen sozio-technischen Anforderungen zu klären. Das Institut für Smart Systems und Services (IoS³) der Hochschule Pforzheim entwickelt zusammen mit den drei KMU Digitalisierungsstrategien auf der Basis konkreter Anwendungsfälle und leitet hieraus notwendige Schritte zur Umsetzung ab, die es in eine Roadmap überführt.

Dr. Christian Lerch, der das Projekt am Fraunhofer ISI leitet, erklärt die konzeptionelle Ausrichtung des Forschungsvorhabens: »Im Projekt befassen wir uns mit zwei Unternehmensebenen: Auf der strategischen Planungsebene gilt es, den Unternehmen Digitalisierungsmöglichkeiten in ihrem Betrieb aufzuzeigen und daraus eine individuelle Strategie für sie abzuleiten. Im Kern geht es um Aspekte der Unternehmenskultur und zum Beispiel um Fragen, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Zeitalter der Digitalisierung eingebunden werden können, aber auch um organisatorische Abläufe, Hierarchiestrukturen oder Unternehmensleitbilder. Auf der operativen Umsetzungsebene stehen die aktive Gestaltung der Unternehmenskultur, die konkreten Erfahrungen mit digitalen Technologien und schnelle Lernfortschritte mit den Anwendungen im Mittelpunkt.«

Die Digitalisierung im Sinne von Beschäftigten nutzen

Das bis 2021 laufende Projekt liefert damit einen Beitrag zur Erforschung der digitalen Arbeitswelt von morgen und widmet sich der Frage, wie durch angepasste Unternehmenskulturen ein barrierefreies Zusammenwirken von Mensch und Technik erfolgen und die Digitalisierung im Sinne der Beschäftigten genutzt werden kann. Darüber hinaus werden soziale Innovationen im Kontext neuer Arbeitsprozesse näher betrachtet und erforscht, wie sich sowohl inner- als auch überbetrieblich technische und soziale Neuerungen durch einen partizipativen und auf Vertrauen basierenden Gestaltungsprozess unter Beteiligung von Beschäftigten, Kunden und Stakeholdern erreichen lassen. Ein weiterer Schwerpunkt des Projekts umfasst die Kompetenzentwicklung im Arbeitsprozess und schließt organisatorische wie personelle Bedarfe mit ein.

Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI analysiert Entstehung und Auswirkungen von Innovationen. Wir erforschen die kurz- und langfristigen Entwicklungen von Innovationsprozessen und die gesellschaftlichen Auswirkungen neuer Technologien und Dienstleistungen. Auf dieser Grundlage stellen wir unseren Auftraggebern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft Handlungsempfehlungen und Perspektiven für wichtige Entscheidungen zur Verfügung. Unsere Expertise liegt in der fundierten wissenschaftlichen Kompetenz sowie einem interdisziplinären und systemischen Forschungsansatz.