Im ersten Projektabschnitt wurde eine Typologie entwickelt, in der die grundsätzlichen Ausprägungsformen der industriell-kollaborativen Wirtschaft eingeordnet sind. Um industriell-kollaborative Wertschöpfungsformen vom klassischen Produktionsparadigma einerseits und von der Sharing Economy andererseits abzugrenzen, sind Kriterien aufzustellen, die zu einem einheitlichen Verständnis hinführen sollen und zur Systematisierung der verschiedenen Formen und Konzepte. Diese Kriterien lassen sich maßgeblich aus der Literatur zu Product Services Systems (PSS) nach Tukker (2004) ableiten (Gandenberger 2016; Lerch et al. 2016).
Ein erstes Schlüsselkriterium stellt der Verbleib des Eigentums beim Produkthersteller dar. Dieser sich anbahnende Paradigmenwechsel, weg von einem eigentumsbasierten Produktverkauf, hin zu garantierten Leistungsangeboten, ist das wohl wichtigste Kriterium für eine auf Tausch basierende, industriell-kollaborative Wirtschaftsform.
Ein weiteres Schlüsselkriterium stellt die Ausschließlichkeit der Nutzung des Produkts dar (siehe Lay et al. 2003). Dabei ist zu unterscheiden, ob der Hersteller die Verfügungsrechte eines Produkts nur an einen Kunden übergibt oder an mehrere Kunden. Nutzen mehrere Kunden ein und dasselbe Investitions- oder Gebrauchsgut, sequentiell oder simultan, so liegt der Fokus per se auf dem Teilen- und Tauschprinzip. Werden die Verfügungsrechte nur an einen Kunden übergeben, liegt kein Tauschen oder Teilen im eigentlichen Sinne vor. Verbleibt allerdings das Eigentum beim Hersteller, der dem Kunden einen Zugang zum Produkt garantiert, betreiben Kunde und Produzent eine kollaborative Form der Wertschöpfung. Daher wird dieser Fall auch zur industriell-kollaborativen Wertschöpfung gezählt.
Weiterhin sollte im Rahmen einer neu aufkommenden Tauschkultur in der Industrie auch unterschieden werden, ob Intermediäre mit eingebunden sind.
Auf Basis der Schlüsselkriterien lässt sich eine Typologie zur Systematisierung verschiedener industriell-kollaborativer Wirtschaftsformen erstellen. Diese sind zwischen den beiden extremen Ausprägungsformen, dem traditionellen Produktionsparadigma einerseits und der Sharing Economy andererseits verortet. Das traditionelle Produktionsparadigma ist geprägt durch einen Eigentumsübergang vom Produkthersteller an den Kunden, der das Produkt ausschließlich und alleine nutzt. Im Gegensatz dazu ist in der Sharing Economy im C2C-Bereich der Produkthersteller nicht mehr in die Transaktion einbezogen. Das Eigentum des Produkts liegt dann entweder bei Intermediären oder sogar bei den Konsumenten. Die dabei generierte Wertschöpfung wird nicht mehr dem industriellen Sektor, sondern dem Dienstleistungssektor zugerechnet.
Die industriell-kollaborativer Wirtschaft besteht aus unterschiedlichen Subformen, die sich durch diverse Anbieter-Kunden-Konstellationen ergeben und als Kontinuum zwischen beiden extremen Ausprägungsformen zu verstehen sind. Das Maß der kollaborativen Wertschöpfung nimmt dabei von links nach rechts zu. Innerhalb der verschiedenen Ausprägungsformen sind die sechs relevanten Archetypen angesiedelt, diese gestalten die verschiedenen Subformen konkret aus. Zu den relevanten PSS-Archetypen zählen:
Leasing: Das Eigentum verbleibt beim Hersteller, der Kunde darf das Investitions- oder Gebrauchsgut gegen eine Leasinggebühr nutzen. Nach Ende des Leasingvertrags geht das Produkt wieder an den Hersteller zurück.
Sharing: Der Hersteller ist weiterhin Eigentümer des Produkts, stellt dieses aber den Kunden gegen eine Gebühr zur Nutzung zur Verfügung. Das Produkt wird dabei sequentiell von mehreren Kunden genutzt
Pooling: Grundsätzlich mit dem Sharing vergleichbar, allerdings erhalten Kunden simultanen Zugang zum Produkt.
Outsourcing: Hierbei wird eine bestimmte Leistung vom Kunden an den Produzenten ausgelagert, der Hersteller wird dafür vergütet. Hierzu zählen Geschäftsaktivitäten, die meist jenseits des Kerngeschäfts durchgeführt werden.
Funktionsmanagement: Der Hersteller wird für die Erfüllung eines bestimmten Kundenbedarfs bezahlt, wobei er völlige Freiheit hat, wie er diesen deckt. Der Hersteller übernimmt die Verantwortung über ein technologisches System und wird für die Sicherstellung und Erbringung eines bestimmten Funktionslevels bezahlt.
Pay per Service Unit: In diesem Fall kauft der Kunde nicht mehr das ursprüngliche Produkt, sondern lediglich den Output des Produkts.
Die PSS 1-3 werden auch als nutzungsorientierten PSS beschrieben und befinden sich oberhalb der gestrichelten Linie. Die PSS 4-5 zählen zu den ergebnisorientierten PSS und stehen unter der gestrichelten Linie.