Projekt

NMP-Technologien haben das Potenzial, in Zukunft erheblich zu dem Wechsel Europas von einer ressourcen-intensiven Wirtschaft zu einer wissens-intensiven Wirtschaft beizutragen. Dies führt zu neuen Anwendungen, neuen Geschäftsmodellen, neuen Produkten, neuen Produktionsmustern, neuen Dienstleistungen, neuen Prozessen und anderen Ergebnissen.

Vor diesem Hintergrund zielt die »Studie zur wirtschaftlichen Zukunftsforschung zu industriellen Trends und die erforderlichen Untersuchungen zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie um 2025« darauf ab, qualitative und quantitative Zukunftsszenarien zu erstellen und zu präsentieren. Es werden auch die erwartete Positionierung und das Potenzial der europäischen Industrie in dem für die Forschung im Bereich der Nanotechnologien, Werkstoffe und Produktionstechnologien (NMP) relevanten Bereich berücksichtigt.

Die Hauptziele dieser Studie sind:

  • Identifizierung der Schlüsselfaktoren, die positiv oder negativ die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit während der letzten 20 Jahre beeinflusst haben.
  • Ausarbeitung und Anwendung eines quantitativen Models, das auf den wichtigsten quantitativen und qualitativen Schlüsselfaktoren der Vergangenheit basiert und verschiedene Zukunftsszenarien um 2025 ableitet.
  • Analyse des Einflusses der Schlüsselfaktoren und Trends auf wichtige wirtschaftliche und NMP- spezifische Aspekte, um die Rolle von NMP in diesem Rahmen um 2025 zu bewerten.
  • Bewertung der europäischen Position und der kritischen Parameter, die sich wahrscheinlich auf die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Industrie im Jahr 2025 auswirken werden, um Empfehlungen zu Technologien, Forschung und politischen Maßnahmen abzuleiten, die erforderlich sind, um die europäische Position zu halten oder zu verbessern.

Vergangene und zukünftige NMP-Trends und Schlüsselfaktoren für die Wettbewerbsfähigkeit können in den folgenden Bereichen oder Kategorien bestimmt werden:

Ressourcen: In der Vergangenheit wurden natürliche Ressourcen ausgebeutet und Knappheit, erschwerter Zugang und/ oder steigende Material und Energiepreise werden in Zukunft erwartet. NMP hat das Potenzial, die Ressourceneffizienz zu erhöhen, indem der Einsatz von (kritischen) Ressourcen (z.B. durch Nanotechnologie) reduziert, (kritisches) Material (z.B. begrenzt, toxisch) substituiert und dem Wiedergebrauch strategisch relevanter Ressourcen z.B. durch geschlossene Kreislaufwirtschaft (Lebenszyklus, Recycling) zugeführt wird. Besonders hochwertige Materialen werden insbesondere im Bereich der Chemie benötigt. Auch die Elektronik und Photonikbranche gebrauchen diese strategischen Materialen wie Indium (z.B. als ITO in Displaytechnik oder Dünnschicht-CIGS in der Photovoltaik). Besonders, wenn ein Badarf für eine große Menge von Ressourcen besteht, wird der Zugang zu ihnen vielleicht kritisch (z.B. seltene Erden Elemente in China, Kobalt für Lithium-Ion Batterien im Kongo, etc.), dann könnten alternative Technologien mit Ersatzmaterialen an Wichtigkeit gewinnen (z.B. Graphen als Ersatz für die leitende ITO-Beschichtung). Nach Einschätzung von Experten kann NMP in Zukunft auch in einigen energieintensiven Sektoren (z. B. Chemie) einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung der Energieeffizienz leisten. Im Hinblick auf Personal hat es in der Vergangenheit einen Rückgang an Forschenden gegeben, die sich auf Schlüsselgebiete spezialisiert hatten und die direkt mit NMP verbunden waren.  Deshalb könnte das Humankapital in Zukunft ein hemmender Faktor in der NMP-Entwicklung sein und wahrscheinlich an Wichtigkeit gewinnen.

Innovation: Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der NMP-Technologien ist entscheidend für die Erzielung der damit verbundenen wirtschaftlichen Vorteile. Dies erfordert eine sehr starke Forschungsbasis, die innovative Ideen von morgen fördert. In der Vergangenheit war Europa stark an der Finanzierung von NMP beteiligt, hat FuE Netzwerke, Cluster und Plattformen aufgebaut. Was NMP-Patente angeht, so hat Europa einen globalen Anteil von rund 40%. Diese Anteile variieren von Sektor zu Sektor, in den Bereichen Maschinenbau, Photonik/Instrumente und Automobil erreichen sie sogar rund 50 %.  Die Patentanalysen im Zeitverlauf zeigen an, dass während in allen analysierten Sektoren die Anzahl der NMP-Patente seit den späten 1990'er Jahren gewachsen ist, in den letzten Jahren eine weltweite Stagnation eingetreten ist und ein Abwärtstrend verzeichnet wird. Für alle Sektoren kann eine Spitze in der Dynamik beobachtet werden und dann eine Abnahme an Patentanmeldungen beginnend mit dem Jahr 2000 oder später (je nach Sektor). Die Gesamtinterpretation ist, dass es ein zyklisches langfristiges Verhalten von NMP gibt, wie es zum Beispiel bereits für den Fall der Nanotechnologie beobachtet wurde (Schmoch/Thielmann 2012).  In der Zukunft wird ein neuer Zuwachs an Patentaktivitäten erwartet, der mit Ausreifung der NMP-Technologien und begleitender Kommerzialisierung der NMP-Produkte in den verschiedenen Sektoren zusammenhängt.  

Kommerzialisierung: Es gibt jedoch für frühe NMP-Applikationen in Europa immer noch eine Lücke zwischen der Generierung von Grundlagenwissen, innovativer FuE und anschließender Produktion und Kommerzialisierung des Wissens in marktreife und gefragte Produkte in allen Sektoren. Das zeigt sich häufig durch immer noch moderate Firmengründungen (z.B. im Vergleich zu den Vereinigten Staaten), unterentwickelte NMP-Produktionsinfrastrukturen wie Pilotlinien oder Produktionsanlagen für das Upscaling vom Labor- in den industriellen Maßstab. Darüber hinaus ist eine stärkere Integration der damit verbundenen (teilweise neuen oder noch nicht entwickelten) Wertschöpfungsketten erforderlich. Was die wirtschaftlichen Auswirkungen angeht, können NMP-Anwendungen und Produkte existierende Produkte und Wertschöpfungsketten ersetzen, es könnten aber auch neue Märkte geschaffen werden, die die Gesamtnachfrage in der Wirtschaft erhöhen. Es überrascht nicht, dass es große Unterschiede zwischen den verschiedenen NMP-Anwendungen gibt. Insgesamt ist ein Potenzial für Europa vorhanden, besonders in zukünftigen hochtechnologischen und sehr wissensintensiven Produktionsprozessen.

Nachfrage: Es gibt eine steigende Nachfrage seitens der Verbraucher und der Gesellschaft nach sicheren und umweltfreundlichen Technologien, die häufig mit der Notwendigkeit der Substitution von (kritischen oder toxischen) Materialien in der Chemie sowie in der Elektronik und Photonik korreliert. Letztendlich hat dies Auswirkungen auf die Maschinen- und Automobilbranchen. Jedoch wurden potenzielle Auswirkungen der Nanotechnologie auf Umwelt, Gesundheit und Sicherheit (EHS) ausgiebig besprochen, da es eine weit verbreitete Sorge bezüglich potenzieller negativer Auswirkungen von Nanotechnologie gibt. In einigen Sektoren (z. B. in der chemischen Industrie oder im Bio- und Pharmasektor) gibt es eine sehr ausgeprägte Empfindlichkeit was den Gebrauch des Wortes Nanotechnologie angeht, da ein früheres Missgeschick, das mit Nanotechnologie in Verbindung gebracht wird, eventuell die Finanzierung der Technologie sowie die Nachfrage abrupt beenden könnte. 

Um die wirtschaftlichen Auswirkungen der NMP-Technologien quantitativ zu bewerten, arbeiten wir ein ökonometrisches Model der letzten 15 bis 25 Jahre aus. Wir nutzen die geschätzten strukturellen Gleichungen auf der Grundlage quantitativer Daten der letzten 15-25 Jahre (sowohl nach einzelnen Ländern als auch nach separaten Sektoren und dem gesamten verarbeitenden Gewerbe), um die potenziellen zukünftigen Entwicklungen in drei verschiedenen Szenarien zu simulieren (optimistisch, neutral, pessimistisch) was den Einsatz von NMP auf Wertschöpfung, Exportraten und Beschäftigung angeht.  Die angenommenen Szenarien basierend auf Expertenbeurteilungen haben sich als konsistent mit den qualitativen NMP-Trends erwiesen.

In allen betrachteten Sektoren würden die Beschäftigung und die Wertschöpfung im optimistischen Szenario verglichen mit dem business-as-usual Szenario zunehmen, nur die Netto-Auswirkungen auf die Exportraten sind weniger klar. Wir stellen nachstehend die Interpretation unserer Ergebnisse vor.

  • NMP-Technologien haben Auswirkungen auf die Wirtschaft durch eine Reihe von Mechanismen und können bemerkenswerte positive Auswirkungen auf viele industrielle Bereiche in der Zukunft haben. Diese Ergebnisse weisen auf die Wichtigkeit von Maßnahmen, die das ganze Innovationssystem über alle Sektoren hinweg betreffen und die sich nicht auf einzelne Bereiche konzentrieren oder nur einzelne Aktivitäten (wie z.B. FuE) adressieren.
  • NMP-Technologien beeinflussen die Wirtschaft über eine Vielzahl von Wirkungsmechanismen und könnten in der Zukunft eine merklich positive Wirkung auf viele Industriezweige haben. Diese Ergebnisse weisen auf die Bedeutung der Maßnahmen hin, die das ganze Innovationssystem über alle Sektoren hinweg erreichen und sich nicht auf einzelne Sektoren oder einzelne Aktivitäten (wie FuE) konzentrieren.
  • NMP-Patente haben positive Auswirkungen auf die Mehrzahl der Sektoren und Länder, teilweisekann man auch eine positive Auswirkung internationaler Spillover-Effekte beobachten. Da Patente als ein stellvertretender Indikator für den Output angewandter Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten gedeutet werden können, könnte dies bedeuten, dass diese Ergebnisse den Stand der NMP verwandten FuE Aktivitäten beibehalten und sogar erhöhen, und zugehörige Fördermaßnahmen wären auch aus einer wirtschaftlichen Sicht von Vorteil.
  • Die Erhöhung des Stammkapitals ist der wichtigste Faktor, um das wirtschaftliche Potential von NMP umzusetzen. Daher sind Aktivitäten zur Steigerung des Investitionskapitals in Europa entscheidend. Bestimmungsfaktoren für Investitionen in einem bestimmten Land sind gewöhnlich vielfältig. Jeweilige politische Maßnahmen sollten die spezifische Schwäche des Innnovationssystems ansprechen.
  • Zunehmende Material- und Energieeffizienz führt in der Regel zu wirtschaftlichem Wachstum und Arbeitsplätzen. Daher wirken sich Anstrengungen, die Ressourceneffizienz durch NMP-Technologien zu verbessern, nicht nur positiv auf die Umwelt aus, sondern vermutlich auch auf die Wirtschaft. Ein effizienter Ressourcenverbrauch wird immer wichtiger für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie.

Während einige dieser Rückschlüsse intuitiv erscheinen mögen, ist der potentielle Verdienst dieser Studie, dass sie aus einer gut fundierten quantitativen empirischen Grundlage abgeleitet wurden. Überdies sind die Ergebnisse der qualitativen Analysen zu NMP-Trends und Signalen im Einklang mit den Ergebnissen des Wirtschaftsmodells: Es gibt einen zunehmenden Bedarf an material- und energieeffizienten Technologien, für bessere Kommerzialisierung und Ausbau der Produktion in kritischen Branchen und nachfrageorientierten »grünen« Produkten für die Gesellschaft/Konsumenten in Europa. Insbesondere die Hinweise auf ein zyklisches Langzeitverhalten der NMP-Patente mit einem doppelten Boom  verlangt weitere Unterstützung der Innovationspolitik trotz Rückgang der NMP-Patentanmeldungen. Der Schwerpunkt könnte sich auf die Überwindung potentieller schwieriger Phasen und die Unterstützung von Kommerzialisierungsaktivitäten verlagern. In ähnlicher Weise hat das Wirtschaftsmodell gezeigt, dass insbesondere Kapitalinvestitionen (z. B. für Produktionsinfrastrukturen), aber auch Material- und Energieeffizienz in Industriesektoren einen positiven Einfluss auf die Beschäftigung, die Wertschöpfung und damit auf die europäische Wettbewerbsfähigkeit haben. Dies stellt eine zusätzliche Rechtfertigung für politische Maßnahmen dar und zeigt sogar konkreter die Systemschwächen auf, auf welche sich die Politik konzentrieren sollte. Schlüsselprobleme sind u. a. die Fähigkeiten und die notwendige Konzentration auf die kommerzielle Nutzung des technologischen Wissens in der NMP, die fehlende Nachfrage nach innovativen (manchmal teureren) NMP-Produkten oder die Unsicherheit des stabilen Zugangs zu Ressourcen. Daher, um das wirtschaftliche Potenzial von NMP zu realisieren und um zu den gesellschaftlichen Bedürfnissen beizutragen (»Grand Challenges«) werden strategische Aktionen der Interessengruppen entlang der gesamten Innovationskette gebraucht.

Während internationale Wettbewerbsfähigkeit nur von der Industrie selbst gewährleitstet werden kann, könnte die Politik die angemessene Unterstützung leisten. Wir konzentrieren uns vor allem auf diese Unterstützungsmaßnahmen. Die Maßnahmen sind nicht alle direkt an das Common Strategic Framework (CSF) gebunden, sondern wenden sich an ein breites Spektrum von Politiken. Wir schlagen gemischten politischen Ansatz vor mit zumeist überschneidenden Aspekten für NMP und einigen Maßnahmen, die speziell auf eine sektorale oder Wertschöpfungskettenebene ausgerichtet sind. Die vorgeschlagenen politischen Maßnahmen umfassen Fragen der Ressourcenverfügbarkeit, der Innovationsfähigkeit, der Kommerzialisierung von Innnovationen, der Nachfrage nach innovativen Produkten und der Regulierung sind im Einklang mit unseren Ergebnissen aus den quantitativen und qualitativen Analysen. Insbesondere empfehlen wir die folgenden politischen Handlungen:  

  • Entwicklung einer Politik für natürliche Ressourcen
  • Verfügbarkeit von angemessenen Kompetenzen in NMP sicherstellen
  • F&E-Programm in Richtung  »Innovationsförderung« neu ausbalancieren
  • Ausarbeitung einer neuen Definition von F&E auf Basis neuer Kriterien
  • Berücksichtigung von Feedbackschleifen zwischen F&E und Nachfrage/gesellschaftliche Herausforderungen
  • Unterstützung stärkerer Integration von Wertschöpfungsketten
  • Intensivierung der Verwertung der Forschungsergebnisse in der EU
  • Entwicklung von Strategien, um an globalen Wertschöpfungsketten teilzuhaben
  • Überarbeitung einer neuen Definition staatlicher Hilfe
  • Überarbeitung regionaler Cluster
  • Unterstützung von nachfrageseitigen Maßnahmen
  • Einrichtung eines Dialogs über Chancen und Risiken der nanotechnologie-basierenden Anwendungen und Produkten

Internationale Spillover weisen darauf hin, dass die Ausnutzung der globalen Wissensbasis wichtig ist für die heimische wirtschaftliche Entwicklung. Dies unterstreicht den Bedarf an engen Beziehungen zur globalen Wissensbasis. 

Laufzeit

04.11.2010-03.04.2012

Auftraggeber

  • European Commisson, DG Research

Partner

  • Fraunhofer ISC
  • Fraunhofer-Alliance Nano FNT
  • Prof. André Jungmittag, University of Applied Sciences, Frankfurt/Main