Bakteriophagen (kurz "Phagen") sind Viren, die Bakterien befallen. Sie stellen potenzielle Alternativen zum Einsatz von Antibiotika, Pestiziden und chemischen Desinfektions- und Konservierungsmitteln in der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion dar, um bakterielle Krankheitserreger zu kontrollieren. Phagen gelten als sicher, kostengünstig und umweltverträglich, da sie natürlich in der Umwelt vorkommen und durch ihre Nutzung der Einsatz von chemischen Agenzien vermieden oder reduziert werden könnte. Zwar sind einzelne Produkte für die Anwendung in der Landwirtschaft und der Lebensmittelmittelindustrie kommerzialisiert. Insgesamt bestehen in Europa und Deutschland aber erst wenig Erfahrungen mit dem großvolumigen Einsatz von Bakteriophagen. Zudem sind auch viele Fragen zu ihrer Sicherheitsbewertung im Hinblick auf den Schutz von Gesundheit, Umwelt und Verbraucher:innen und zu ihrer Zulassung noch ungeklärt.
Ziel des Projekts ist es, eine politikorientierte Ausarbeitung zu Forschung, Entwicklung und Anwendung von Phagen in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion als Informationsgrundlage und Orientierungshilfe für politische Mandats- und Entscheidungsträger:innen bereitzustellen.
Inhalte sind
Auf dieser Basis sollen die Innovations- und Problemlösungspotenziale von Phagen bewertet und innovationspolitische Handlungsoptionen für eine gesellschaftlich wünschenswerte Förderung der Erforschung und Entwicklung von phagenbasierten Anwendungen in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion aufgezeigt werden.
In zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen wurde das Potenzial von Bakteriophagen nachgewiesen, entlang der Lebensmittelkette die Zahl der Bakterien zu reduzieren, die Krankheiten bei Mensch, Tier oder Pflanze verursachen. Bakteriophagen können somit bestehende Maßnahmen zum integrierten Pflanzenschutz, zur Lebensmittelhygiene und des One-Health-Konzepts ergänzen, diese aber keinesfalls ersetzen. International sind einige kommerzielle Produkte im Einsatz.
Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass sich Phagenanwendungen unter den herrschenden Rahmenbedingungen in absehbarer Zukunft breiter in der landwirtschaftlichen und industriellen Praxis werden etablieren können. Um die derzeitigen Hemmnisse zu überwinden, werden folgende Empfehlungen gegeben: Phagen als Biokontrollagens sollte ein höherer politischer Stellenwert zugemessen werden, um dieser Option ergebnisoffen eine Chance zu geben. Hierzu müssten die regulativen Rahmenbedingungen verbessert werden (Konsens über die lebensmittelrechtliche Einstufung von Bakteriophagen, Leitlinien für Antragsteller im Rahmen von Zulassungs- und Genehmigungsverfahren, Berücksichtigung von Biokontrollagens-Spezifika in einschlägigen Gesetzen). Die öffentliche Forschungsförderung zu Bakteriophagen sollte intensiviert und in Dialog- und Vernetzungsaktivitäten zwischen Stakeholdern (Wissenschaft, Unternehmen, Behörden, Zivilgesellschaft) eingebettet werden.
Der Abschlussbericht ist hier verlinkt.
Dieser Bericht wurde als Gutachten im Auftrag des Deutschen Bundestages erstellt und dem Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) vorgelegt. Inhalte dieses Gutachtens sind zusammen mit weiteren Arbeiten in diesen TAB-Bericht eingeflossen:
König, H.; Sauter, A. (2023): Bakteriophagen in Medizin, Land- und Lebensmittelwirtschaft – Anwendungsperspektiven, Innovations- und Regulierungsfragen. Innovationsanalyse. Berlin: Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). doi:10.5445/IR/1000160512;
https://publikationen.bibliothek.kit.edu/1000160512/151032971
8/2021 bis 12/2022