Computer-implementierte Erfindungen
Das deutsche und das europäische Patentrecht erlauben keinen Patentschutz für Softwarelösungen. Allerdings können so genannte computer-implementierte Erfindungen – neudeutsch auch »embedded software« genannt – durchaus zum Patent angemeldet werden. Das Patentsystem ist eine tragende Säule eines jeden Innovationssystems und leistet deutliche Beiträge zur wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung in einem Land. Es ist belegt, dass Länder mit einem schwachen oder wenig verlässlichen Patentsystem (Ginarte, Park 1997; Park 2008) eine geringere wirtschaftliche und technologische Leistungsfähigkeit im internationalen Vergleich erreichen (Foray 2004; Kumar et al. 2011). Es ist auch empirisch belegt, dass je nach technologischer und wirtschaftlicher Entwicklungsstufe eines Landes ein passendes Patentsystem die weitere Entwicklung unterstützt (Encaoua et al. 2006; Thompson, Rushing 1996; Thompson, Rushing 1999). Ein Entwicklungsland mag keinen oder einen anderen Bedarf für ein Patentsystem haben wie eine entwickelte und auf Innovationen ausgerichtete Volkswirtschaft. Mit der Entwicklungsstufe muss sich aber auch das Patentsystem entwickeln.
Der Staat erteilt mit einem Patent dem Patentinhaber ein temporäres Monopol an der Verwertung einer technologischen Lösung (Adams 2006; Frietsch et al. 2010; Frietsch et al. 2012; Grupp 1997; Schmoch 1990). Das Patentsystem gibt aus ökonomischer Sicht den Unternehmen und Forschungseinrichtungen Planungssicherheit und fördert somit Investitionen in neue Technologien und Innovationen. So trägt es positiv zur Entwicklung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft bei. Die Befürworter von Patentsystemen betonen diese Planungssicherheit, die Klarheit der Regeln und die daraus resultierenden Innovationsanreize. Die Gegner von Patenten insgesamt führen ins Feld, dass die Schaffung von temporären Monopolen gerade die Innovationsaktivitäten bremst und den Wettbewerb der besten technologischen Lösungen unterbindet. Sie glauben, dass durch eine Abschaffung von Patenten die Innovationsleistung erhöht werden könnte.
Im Bereich von Software-Patenten (Blind et al. 2002; Blind et al. 2004; Blind et al. 2005) hatte sich dieser Streit zwischen Befürworten und Gegnern in den letzten Jahren am deutlichsten gezeigt – ähnlich drastische und plakative Auseinandersetzungen, wenngleich mit leicht unterschiedlichen Argumenten, hatten sich Kritiker und Befürworter nur noch in Bezug auf die Gentechnik geliefert. In Bezug auf die Gentechnik führen einige Kritiker an, dass es sich dabei nicht um Erfindungen im eigentlichen Sinn, sondern um Entdeckungen handelt, die grundsätzlich von der Patentierung ausgeschlossen sind. Ähnlich argumentieren auch die Gegner von Software-Patenten, die diesen Computerprogrammen den Technologiegehalt bzw. die Technologieorientierung absprechen wollen. Auf dieser Dimension des Technologiegehalts gibt es nun mit den computer-implementierten Erfindungen eine »Grauzone« zwischen Technologie und Software. Auch hier gibt es Gegner, die eine Patentierung von computer-implementierten Erfindungen, wie sie derzeit in u.a. in Deutschland und Europa praktiziert wird, abschaffen möchten, im Wesentlichen mit den beiden oben genannten Argumenten einer vermeintlich innovationshemmenden Monopolbildung bzw. einer mangelnden Technologieorientierung.
Ziel dieser Studie im Auftrag des Technology, Innovation and Investment Council e.V. (TIIC) ist es einerseits, die Bedeutung von computer-implementierten Erfindungen für die deutsche und die europäische Wirtschaft mit besonderem Blick auf den Mittelstand herauszuarbeiten. Andererseits soll aber auch untersucht werden, welche Folgen eine Änderung des Patentrechts in Richtung Abschaffung des Patentschutzes für computer-implementierte Erfindungen haben kann und mit welchen Auswirkungen auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Unternehmen zu rechnen wäre.
Die Studie hat drei wesentliche Teile. Zunächst gilt es, die den juristischen Status quo sowie die Implikationen einer möglichen Änderung aus juristischer Sicht zu erörtern. Der zweite Teil beinhaltet eine empirische Untersuchung der Strukturen und Trends beim Patentschutz von computer-implementierten Erfindungen. Hierzu wird auf verschiedene Datenbanken zurückgegriffen. Im dritten Teil schließlich wird eine Befragung von patentierenden und nicht-patentierenden Unternehmen zu deren Patentverhalten und deren Einschätzungen zu den Implikationen einer möglichen Gesetzesänderung durchgeführt. Dabei stehen insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen im Zentrum des Untersuchungsinteresses.