Europa baut Recycling von Lithium-Ionen-Batterien aus: Kapazitätsentwicklung, Bedarfsanalyse und Marktakteure im Blickpunkt
Der Bedarf an Recycling-Kapazitäten für Lithium-Ionen-Batterien steigt. Wie Europa ihm begegnen wird – und welche Unternehmen an welchen Standorten investieren.
Update: Im August 2024 wurde eine neue Version dieses Artikels mit aktualisierten Informationen und Daten veröffentlicht.
Ressourcenverfügbarkeit und Umweltauswirkungen spielen eine zentrale Rolle bei der Produktion von Lithium-Ionen-Batterien (LIB). Um die Umweltauswirkungen (wie z. B. den CO2-Fußabdruck) so gering wie möglich zu halten und die Abhängigkeit von Rohstoffimporten zu verringern, spielt das Recycling von LIB eine zentrale Rolle für Europa. Die genutzten Recyclingtechnologien haben sich in den letzten Jahren stetig weiterentwickelt und erlauben perspektivisch Gesamtrückgewinnungsquoten von mehr als 90 Prozent (ohne O2).
Mit den stark wachsenden Verkaufszahlen von Elektroautos, elektrisch betriebenen LKW, stationären Speichern sowie Batterien in zahlreichen weiteren Anwendungen ist in absehbarer Zukunft ein stark steigender Bedarf für das Recycling von LIB zu erwarten. Während bisher der Großteil der LIB-Recyclingkapazitäten in Ostasien liegt, insbesondere in China, werden aktuell auch in Europa Kapazitäten für das LIB-Recycling aufgebaut.
Aktuelle und angekündigte Recyclingstandorte für Lithium-Ionen-Batterien in Europa
Die Karte in Abbildung 1 zeigt die bis Ende 2023 installierten und für die kommenden Jahre angekündigten Recyclinganlagen für Lithium-Ionen-Batterien in Europa und deren Betreiber. Auffallend ist die besonders hohe Anzahl an Recyclingstandorten in Mitteleuropa. Diese ist häufig auf eine Nähe zu Batteriematerialherstellern, Batteriezellherstellern oder Automobilherstellern zurückzuführen. In den kommenden Jahren werden aber auch Länder wie Spanien und Großbritannien ihre Kapazitäten erhöhen und somit die Projektlage in Europa diversifizieren.
Zahlreiche Anlagen werden von Anfang an so geplant, dass sie ihre Kapazitäten bei Bedarf erhöhen können. Ein Beispiel dafür sind Unternehmen wie Northvolt, SungEel HighTech und EcoBat, die bis 2030 die Recyclingkapazität ihrer Standorte um mehr als 150.000 Tonnen pro Jahr erweitern möchten.
Die Recyclingstandorte können nach Recyclingtiefe – also je nachdem, was Eingangs- und Ausgangsmaterialien des Recyclingprozesses sind – in »Spokes« und »Hubs« eingeteilt werden (Bezeichnungen adaptiert von Li-Cycle). Spokes (engl. für Speiche) sind in der Lage, die ersten Schritte des Batterierecyclings durchzuführen. Hierbei werden Altbatterien entladen, demontiert und mechanisch zur sogenannten schwarzen Masse aufbereitet. Diese beinhaltet die Kathoden- und Anodenaktivmaterialien, in denen die meisten wertvollen Metalle stecken.
Hubs (engl. für Nabe / Knotenpunkt / Zentrum) können zusätzlich die zweite Stufe des Batterierecyclings durchführen. Hierbei wird die schwarze Masse mit (elektro-)chemischen Verfahren der Hydrometallurgie oder einem polymetallurgischen Ansatz raffiniert, wodurch wertvolle Stoffe wie Kobalt, Nickel und Lithium zurückgewonnen werden können. In Europa sind nur knapp die Hälfte der Standorte Hubs mit der Möglichkeit, Batterierohstoffe zurückzugewinnen (in Abbildung 1 mit rotem Punkt markiert).
Spokes liegen für eine optimale Logistik dezentral, während Hubs für die Bearbeitung der Schwarzmasse zentral errichtet werden können. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass der Transport von Lithium-Ionen-Batterien zu Spokes als Gefahrguttransoprt eingestuft wird. Dadurch sind die Vorkehrungen für den Transport aufwendiger und kostenintensiver sind als bei Schwarzmasse.
Recyclingkapazitäten für Lithium-Ionen-Batterien in Europa werden bis 2025 auf 400.000 t/a steigen
Zu den meisten Recyclinganlagen gibt es Informationen hinsichtlich ihrer Recyclingkapazität. Da aber nicht alle Anlagen die gleiche Recyclingtiefe haben, können diese Kapazitäten nicht einfach addiert werden. Eine Summierung der Kapazitäten der Spokes ermöglicht eine Abschätzung der Kapazität der ersten Recyclingschritte bis zur Schwarzmasse. Somit kann ungefähr die Batteriemenge abgeschätzt werden, die theoretisch recycelt werden kann. Da einzelne Recyclinganlagen aber an einem Standort sowohl die Verarbeitung zur Schwarzmasse als auch die Weiterverarbeitung vornehmen, wird die potenzielle Recyclingmenge unterschätzt.
In der EU werden die Kapazitäten für die ersten Schritte des LIB-Recyclings bis Ende 2023 auf 160.000 Tonnen pro Jahr steigen, verteilt auf 37 Standorte. Im Vergleich zu 2020 haben sich die Kapazitäten durch die Inbetriebnahme von 13 größeren Recyclinganlagen um mehr als 100.000 t/a erhöht. Weitere 16 Anlagen sind geplant und werden einen weiteren Kapazitätsgewinn bringen.
Allein mit den angekündigten Neuanlagen und Erweiterungen werden die Kapazitäten 2025 voraussichtlich 400.000 t/a erreichen. Ein Vergleich der geplanten Recyclingkapazitäten mit den prognostizierten Rücklaufmengen an Recyclingbatterien und Produktionsausschüssen deutet darauf hin, dass die geplanten Kapazitäten in den kommenden Jahren über dem Bedarf liegen werden (Abbildung 2).
Die hohe Marktdynamik im europäischen Raum ist unter anderem durch den Aufbau von Batteriezellproduktionsstandorten getrieben: Denn insbesondere während der Hochlaufphase, aber auch im laufenden Betrieb fallen relevante Mengen an Produktionsausschüssen an, die recycelt werden müssen. So ist zum Beispiel die hohe Dichte an Recyclinganlagen im ostdeutschen Raum durch die Batteriezellfertigungen von Tesla, Microvast und Farasis zu erklären. Zusätzlich installiert SungEel HighTech seine neue Recyclinganlage zur Verwertung von Produktionsausschüssen unweit der LG Chem Zellfertigung in Wroclaw, Polen.
Europäische Unternehmen dominieren den Wettbewerb beim Batterierecycling in der EU gegenüber asiatischer und amerikanischer Konkurrenz
Analysiert man die Herkunft der Anlagenbetreiber, sticht die große Anzahl an europäischen Unternehmen ins Auge. In den vergangenen Jahren konnten sie sich mit neuen Standorten und Anlagenerweiterungen gegen den ausländischen Wettbewerb behaupten. Aktuell werden in Europa rund 30 Prozent der Kapazitäten von asiatischen und amerikanischen Recyclern verarbeitet. SungEel aus Südkorea und das amerikanische Ecobat betreiben hier die größten Anlagen.
Europäische Unternehmen wie Northvolt, Altilium Metals und Librec haben ihre Kapazitätsankündigungen stark erhöht. Northvolt will bis 2030 seine Kapazität in Schweden um 100.000 t/a steigern, während Librec bis 2026 mit Anlagen in Polen, Spanien, Italien und Deutschland die Kapazität auf 200.000 t/a steigern möchte.
Insgesamt werden die derzeitigen Größenverhältnisse aber voraussichtlich bestehen bleiben, da auch asiatische Unternehmen in den kommenden Jahren durch Erweiterungen (SungEel in Deutschland, Polen und Ungarn) und Neubauten (Eintritt EcoNiLi in Spanien) ihre Kapazitäten erhöhen wollen.
Die identifizierten LIB-Recyclinganlagen werden von zahlreichen unterschiedlichen Unternehmen betrieben. Darunter sind größere Konzerne wie Erlos (Ausgründung von WP Holding) und BASF sowie Joint Ventures wie die Primobius GmbH (zwischen Neometals Ltd. und der SMS Group GmbH). Einige Unternehmen sind bereits in der Batteriebranche tätig oder sind etablierte Recyclingunternehmen für Lithium-Ionen-Batterien (z.B. Stena Recycling, Accurec, Redux und TES). Darüber hinaus haben auch OEMs wie Mercedes-Benz und Volkswagen erste Standorte in Kuppenheim und Salzgitter errichtet. Zudem beteiligen sich auch Renault mit Veolia, Honda mit Snam, Audi mit Umicore und Volvo mit Stena Recycling durch Joint Ventures und Partnerschaften am LIB-Recycling, wobei es sich aber größtenteils noch um Pilotprojekte handelt. Zusätzlich sind führende Zellhersteller und Materialhersteller wie Northvolt und Umicore in den Wettbewerb um das Batterierecycling in Europa eingestiegen.
Auch Start-Ups gibt es in der Firmenlandschaft. Diese sind aktuell aber für einen vernachlässigbar kleinen Anteil der Recyclingkapazitäten verantwortlich. Trotzdem sind in den vergangenen Jahren mehrere Unternehmen wie Cylib oder Tozero Recycling gegründet worden, die neue Prozesse und Verfahren in den Markt gebracht haben. Als Markteintrittsschwelle erweist sich beispielsweise das fehlende Netzwerk zu anderen Akteuren in der Wertschöpfungskette (z. B. Sammlung, Logistik, Batterieproduktion). Etablierte Player haben hier einen Vorteil, z. B. durch bereits bestehende Verträge mit Zellherstellern zur Abnahme von Produktionsausschüssen oder etablierte Prozesse in der Logistik.
Die verwendeten Daten stammen aus dem Forschungsprojekt BEMA2020, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird (Förderkennzeichen 03XP0272B)