Feststoffbatterien: Potenziale und Herausforderungen auf dem Weg zum Massenmarkt

von Dr. Thomas Schmaltz /

Feststoffbatterien gelten als vielversprechende Weiterentwicklung von Lithium-Ionen-Batterien. Unterschiedliche Materialien stehen dabei für die verschiedenen Komponenten zur Auswahl. Welche könnten in Zukunft in (hybriden) Zellkonzepten erfolgreich kommerzialisiert werden?

Batterien spielen eine entscheidende Rolle bei der Elektrifizierung des Verkehrs, der Zwischenspeicherung von grünem Strom und somit der Reduzierung von CO2-Emissionen. Die derzeit führende Batterietechnologie der Lithium-Ionen-Batterien (LIB) mit flüssigem Elektrolyt (Abbildung 1a) wird kontinuierlich weiterentwickelt, stößt aber zunehmend an physikalische Grenzen. Feststoffbatterien (engl. solid-state batteries – SSB, Abbildung 1b) versprechen höhere Energiedichten und eine verbesserte Sicherheit im Vergleich zu Flüssigelektrolyt-LIB. Somit könnten sie den nächsten größeren Entwicklungsschritt darstellen.

Bei einer reinen Festelektrolyt-LIB (engl. all-solid-state batteries – ASSB) wird nicht nur der flüssige Elektrolyt mit einem Feststoff-Elektrolyten ersetzt, sondern dieses neu eingebrachte Material ersetzt gleichzeitig auch den ursprünglichen (Polymermembran-) Separator. Diese Zelltypen stehen jedoch noch vor einigen Herausforderungen in Produktion und Umsetzung. Daher entwickeln Zellhersteller zunehmend hybride fest-/flüssig-LIB. Dabei wird neben einem Festelektrolyten, welcher zumeist als Separator dient, auch zusätzlicher Gel- oder Flüssigelektrolyt genutzt.

Dieser Blogbeitrag basiert auf einer vom Fraunhofer ISI veröffentlichten Studie (»Solid-State Battery Roadmap 2035+«) und einer Publikation der Justus-Liebig-Universität Gießen und des Fraunhofer ISI (»A Roadmap for Solid-State Batteries«). Weitere Details zum Thema können in diesen Publikationen nachgelesen werden.

Grafische Darstellung a) einer klassischen Lithium-Ionen-Batterie mit flüssigem Elektrolyt und b) einer Festkörperbatterie mit Lithium-Metallanode.
© Thomas Schmaltz, Felix Hartmann, Tim Wicke, Lukas Weymann, Christoph Neef und Jürgen Janek (2023): A Roadmap for Solid-State Batteries; in: Advanced Energy Materials (Volume 13, Issue 43/2023) herausgegeben von Wiley-VCH GmbH, Abbildung mit Genehmigung von John Wiley and Sons, Inc.
Abbildung 1: Grafische Darstellung a) einer klassischen Lithium-Ionen-Batterie mit flüssigem Elektrolyt und b) einer Festkörperbatterie mit Lithium-Metallanode (CC: Stromkollektor; LE: flüssiger Elektrolyt, SE: Festelektrolyt; AAM/CAM: aktives Anoden- bzw. Kathodenmaterial; LMA: Lithium-Metallanode).

Komponenten von Feststoffbatterien

Der Aufbau von SSB im Vergleich zu Flüssigelektrolyt-LIB unterscheidet sich wie oben genannt durch das Verwenden eines neuen Separatormaterials bzw. des (teilweisen) Verzichts auf einen flüssigen Elektrolyten. Auch bei den Aktivmaterialien (Anode/Kathode) kann es Unterschiede geben.

Anoden-Aktivmaterialien

Lithium-Metallanoden und Silizium-basierte Anoden werden als vielversprechende Alternativen zur aktuell meistverwendeten Graphit-Anode betrachtet, um Batterien mit höheren spezifischen Energien zu realisieren. Herausforderungen bei deren Einsatz sind produktionstechnische Aspekte, (elektro-)chemische Stabilität mit angrenzenden Komponenten und die Volumenänderung von Lithium- Metallanoden und Silizium-Anoden während des Zyklierens und damit die Langzeitstabilität. SSB-Zellkonzepte setzen häufig auf den Einsatz von Lithium-Metallanoden, um hohe Energiedichten zu erreichen. Ein sicherer Einsatz der Lithium-Metallanoden erfordert den Einsatz eines Festelektrolyten.

Kathoden-Aktivmaterialien

In Feststoffbatterien können dieselben Kathodenmaterialien eingesetzt werden wie in klassischen Flüssigelektrolyt-LIB. Dazu gehören hochenergetische Materialien wie nickelreiche Schichtoxide (z. B. NMC, NCA), Spineloxide (z. B. LMO, LMNO) und kostengünstigere Materialien wie Olivin-Typ Lithium-Eisenphosphat (LFP). Aufgrund ihrer hohen Kapazitäten werden Schichtoxide mit hohem Nickelgehalt als besonders vielversprechend angesehen und könnten die Zukunft der SSB-Zellentwicklung dominieren.

Festelektrolyte

Drei Klassen von Festelektrolytmaterialien werden aktuell als vielversprechendste für den Einsatz in Feststoffbatterien betrachtet: Polymer-Elektrolyte, Sulfid-Elektrolyte und Oxid-Elektrolyte.

Polymer-Elektrolyte sind kostengünstig und einfach zu prozessieren, zeigen jedoch geringe Ionenleitfähigkeiten bei Raumtemperatur und nur geringe Stabilität gegenüber Hochpotenzial-Kathoden-Aktivmaterialien. Sulfid-Elektrolyte bieten ähnlich hohe Ionenleitfähigkeiten wie Flüssigelektrolyte, zeigen in der Regel jedoch eine begrenzte (elektro‑)chemische Stabilität gegenüber Kathoden- und Anoden-Aktivmaterialien. Oxid-Elektrolyte zeigen hohe (elektro-)chemische Stabilität gegenüber Kathoden- und Anoden-Aktivmaterialien, sind allerdings aufwendig zu prozessieren und verfügen über nur geringe Ionenleitfähigkeiten, was deren Einsatzmöglichkeiten einschränkt.

Vielversprechende Zellkonzepte und deren potenzieller Markteintritt

Polymer-SSB, bestehend aus Lithium-Metallanoden, einem Polymer-Elektrolyten als Separator und als Katholyt (Flüssigelektrolyt-Ersatz auf der Kathodenseite) und einem LFP-Kathodenmaterial, befinden sich bereits im Einsatz (z. B. in Elektrobussen). Dieses Zellkonzept muss allerdings bei erhöhter Temperatur betrieben werden, um eine ausreichende Ionenleitfähigkeit des Polymer-Elektrolyten zu gewährleisten. Eine Weiterentwicklung dieses Zellkonzepts beispielsweise mit NMC-basierten Kathodenmaterialien ist in der Entwicklung und wird zwischen 2025 und 2030 erwartet.

Sulfid-SSB-Zellkonzepte verwenden in der Regel NMC-basierte Kathodenmaterialien, Sulfid-Elektrolyte als Separator und Katholyt (und Anolyt – also der entsprechende Flüssigelektrolyt-Ersatz auf Anodenseite), sowie eine Lithium-Metallanode oder eine Silizium-basierte Anode. Beide Zellkonzepte (mit Li- oder Si-Anode) werden als vielversprechend erachtet und zwischen 2025 und 2030 auf dem Markt erwartet.

Oxid-SSB-Zellkonzepte verwenden in der Regel auch NMC-basierte Kathodenmaterialien, Lithium-Metallanoden, einen Oxid-Elektrolyten als Separator und einen Gelelektrolyten als Katholyt. Dieses Zellkonzept wird ebenfalls zwischen 2025 und 2030 auf dem Markt erwartet. Mittelfristig könnten anstatt der Gelelektrolyte auch Sulfid-Elektrolyte als Katholyt zum Einsatz kommen und somit alle flüssigen (bzw. gelförmigen) Bestandteile ersetzen. Oxid-SSB werden zunächst somit als hybride (flüssig/fest) Zellkonzepte auf den Markt kommen. Insgesamt geht der Trend zur Hybridisierung von Zellkonzepten, die eine Kombination verschiedener Festelektrolyte oder auch eine Kombination von festen und flüssigen Elektrolyten verwenden, um die besten Eigenschaften der einzelnen Elektrolyte auszunutzen.

Feststoffbatterie-Roadmap mit unterschiedlichen Zellkonzepten und ihrem voraussichtlichen Beginn der industriellen Pilotproduktion
© Thomas Schmaltz, Felix Hartmann, Tim Wicke, Lukas Weymann, Christoph Neef und Jürgen Janek (2023): A Roadmap for Solid-State Batteries; in: Advanced Energy Materials (Volume 13, Issue 43/2023) herausgegeben von Wiley-VCH GmbH
Abbildung 2: Feststoffbatterie-Roadmap mit unterschiedlichen Zellkonzepten und ihrem voraussichtlichen Beginn der industriellen Pilotproduktion (SE: Festelektrolyt; NMC: LiNi1-x-yMnxCoyO2; LFP: LiFePO4).

Anwendungen von Feststoffbatterien

Die Entwicklung von Feststoffbatterien wird hauptsächlich durch die Elektromobilität und deren Streben nach höheren Energiedichten und somit größeren Reichweiten vorangetrieben. Polymer-SSB sind bereits auf dem Markt und werden aktuell vor allem in Elektrobussen eingesetzt. Sulfid-SSB könnten zunächst im Consumer-Bereich Einzug finden und dann voraussichtlich noch vor 2030 auch in Elektroautos verbaut werden. Oxid-SSB sind ebenfalls vielversprechend für den Einsatz in Elektrofahrzeugen. Langfristig könnten alle Arten von Feststoffbatterien auch in stationären Anwendungen zum Einsatz kommen, vorausgesetzt die Kosten pro Ladezyklus sind konkurrenzfähig.

Ausblick

Mit der Aussicht auf höhere Energiedichten, eine verbesserte Sicherheit und niedrigere Kosten können Feststoffbatterien als nächster evolutionärer Schritt von Lithium-Ionen-Batterien angesehen werden. Es gibt noch einige technische Herausforderungen, insbesondere bezüglich der Auswahl der Materialien, der Kompatibilität der unterschiedlichen Komponenten sowie der Produktionstechnologien für die Massenproduktion. Starke F&E-Aktivitäten, angetrieben durch das große Interesse insbesondere aus dem Automobilsektor, lassen vermuten, dass diese Herausforderungen gelöst werden können. Letztendlich werden Feststoffbatterien dann aber ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Flüssigelektrolyt-LIB auf dem Markt beweisen müssen, insbesondere in Bezug auf Kosten, Energie- und Leistungsdichte.

 

Die verwendeten Daten stammen aus dem Forschungsprojekt BEMA2020, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird (Förderkennzeichen 03XP0272B)