Potenziale von 46-mm-Rundzellen – Auf dem Weg zum neuen Standardformat

von Dr. Christoph Neef /

Tesla gibt den Startschuss für ein neues Rundzellformat und setzt damit einen Trend, der auch von anderen Zellherstellern und Fahrzeugherstellern aufgegriffen wird.

Seit Elon Musk vor zweieinhalb Jahren auf den Tesla Battery Days die zukünftige Nutzung eines neuen Batteriezellformats vom Typ 4680 angekündigt hat, ist ein wahrer Boom um die neue Rundzelle entstanden. Zwar wurde die Zelle mit 46 mm Durchmesser und einer Länge von 80 mm bislang nur in einigen Tesla-Model-Y-Fahrzeugen eingesetzt, jedoch mehren sich die Interessensbekundungen und Ankündigungen zur Nutzung, insbesondere aus dem Automobilbereich.

Neben Tesla als »first mover« haben sich bereits Fahrzeughersteller wie BMW, Nio und GM zu zukünftigen Nutzungsabsichten bekannt. Gleichzeitig vergrößert sich auch das Feld der Zellhersteller, welche Produktionskapazitäten schaffen oder zumindest den Aufbau von Fertigungskompetenzen anstreben.

LGES will dieses Jahr im südkoreanischen Ochang seine Musterlinie in Betrieb nehmen, Panasonic im japanischen Wakayama sogar bereits eine großskalige Produktionslinie. Die Hersteller Samsung SDI und BAK arbeiten ebenfalls an der Pilotproduktion und als qualifizierte Zulieferer von BMW wurden CATL und EVE Energy bereits mit dem Bau von Gigafactories beauftragt.

Die Automobilbranche verspricht sich viel von der Zelle: Eine hohe Leistungsdichte und Schnelladefähigkeit, effizientere Integration im Batteriepack oder Fahrzeugchassis sowie Kostenvorteile aufgrund der für Rundzellen typischen einfacheren Abläufe bei der Zellfertigung. Zwar kann der Zelltyp im Vergleich zu anderen Rundzellformaten wie 18650 und 21700 als groß bezeichnet werden, er ist im Vergleich zu beispielsweise prismatischen Zellformaten der neuesten Generation aber immer noch deutlich kleiner in seinen Abmessungen und der Zellkapazität. Eine 46-mm-Zelle mit 80 mm Höhe zum Beispiel besitzt ein inneres Volumen von etwa 120 ml. Eine Zelle vom Typ »blade« des Herstellers BYD kommt auf knappe 1,2 Liter.

© Fraunhofer ISI
Abbildung 1: Batteriezellen mit 46 mm Durchmesser sind weltweit auf dem Vormarsch.

Für die OEM könnte durch die Nutzung der neuen Rundzellen also nach wie vor ein vergleichsweise hoher Integrationsaufwand bestehen. Gleichzeitig gewinnen sie aber an Flexibilität beim mechanischen und elektrischen Design des Packs: Unter anderem haben z.B. Nio und BMW angekündigt, in Zukunft auf eine 800-V-Architektur setzen zu wollen. Derartig hohe Systemspannungen dürften in Serienschaltung aufgrund der niedrigen Anzahl von Einzelzellen mit besonders großformatigen Zellen nicht erreichbar sein. Mit den neuen 4680-Rundzellen ist die hohe Systemspannung in typischen Packs selbst bei Parallelschaltung von drei bis fünf Zellen erreichbar.

Vor- und Nachteile des neuen Zelldesigns

Neben der ursprünglich von Tesla angekündigten 4680-Zelle sind mittlerweile weitere Formate in Diskussion, die von einer Höhe von 40 mm bis 120 mm reichen. Zur Analyse möglicher Eigenschaften haben wir einige der Zellen mithilfe eines Zelldesign-Tools des Fraunhofer ISI betrachtet.

Prinzipiell kommen dafür unterschiedliche Materialkombinationen und Elektrodendesigns in Frage. Laut ersten Tear-down-Berichten scheint Tesla in der ersten Generation der Zellen auf eine Kombination aus NMC811 (Lithium-Nickel-Mangan-Cobalt-Oxide mit 80 Prozent Nickel) und Graphit zu setzen und damit auf ein Materialsystem, das heute als Stand der Technik angesehen werden kann. Neu im Zelldesign könnten hingegen die besonders dicken Elektroden sein. Inwiefern diese durch die ebenfalls von Tesla eingesetzte Trockenbeschichtung der Anode ermöglicht werden, ist zurzeit noch nicht bekannt.

In der von uns angenommenen Elektrodenkombination aus einer 100 µm dicken Graphitanode und einer 85 µm dicken NMC811-Kathode ergibt sich ein Elektrodenwickel von etwa 3,5 m Länge, wobei die Anode bzw. Kupferfolie als äußerste Lage nochmal etwa 20 cm länger sein dürfte. Die Zelle kommt mit einer für die Materialien typischen mittleren Zellspannung von knapp 3,7 V auf eine Kapazität von etwa 25 Ah und erreicht damit eine Energiedichte von knapp 700 Wh/l oder 250 Wh/kg.

Die Zelle schafft es damit durchaus in den Energiebereich der bereits bekannten 21700-Zelle, bleibt jedoch etwas darunter. Verantwortlich dafür ist insbesondere der Gewichtsanteil der Anoden- und Kathodenaktivmaterialien. Ohne den Zusatz von Siliziumoxid in der Anode bzw. die hohe spezifische Kapazität des zuvor in der 21700-Zelle verwendeten NCA-Materials (Lithium-Nickel-Cobalt-Aluminium-Oxide) fallen die erreichbaren Kapazitäten der Aktivmaterialien niedriger aus. Inwiefern die Nutzung des Trockenbeschichtungsprozesses verantwortlich für den Verzicht auf Siliziumzusätze ist, ist bislang noch unklar.

Für die Nutzung von NMC811 könnten gegenüber NCA einerseits Kostenfaktoren oder andererseits Vorteile beim Balancing der Anode und Kathode sprechen. Punkten kann das neue Zelldesign bei den Gewichtsanteilen von Stromableitern und Separatoren, welche aufgrund der Dicke der Elektroden kleiner ausfallen. Trotz einer erheblichen Erhöhung der Wandstärke des Stahlgehäuses der Zellen von 300 auf 600 µm bleibt dieser Gewichtsbeitrag, wie in Abbildung 2 zu sehen, relativ zur Speicherkapazität zwischen 21700 und 4680 fast gleich.

 

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Abbildung 2: Zusammensetzung von 4680-Zellen

Die besonderen Eigenschaften des Zelldesigns machen sich insbesondere beim Vergleich der diskutierten Zellhöhen bemerkbar. Hierfür haben wir Zellen mit einer Höhe von 40 mm bis 120 mm analysiert (Tabelle 1). Die erreichbare Kapazität in der beschriebenen Material- und Elektrodenkonfiguration steigt von etwa 11 Ah (40 mm) auf über 38 Ah (120 mm) an. Grund für dieses nicht-lineare Kapazitätsverhalten ist der Platzbedarf im unteren und oberen Bereich der Zelle. Die Kontaktierung sowie Sicherheitsfeatures und Versiegelung benötigen eine Höhe von 5 bis 10 mm im Inneren der Zelle, welche nicht für den Elektrodenwickel zur Verfügung steht. In der von uns berechneten Konfiguration beträgt die Höhe des Wickels in der 4680-Zelle z.B. nur etwa 70 mm.

Je nachdem, ob für die Kontaktierung der umgeschlagenen Stromableitersegmente im Tabless-Design noch zusätzliche Scheiben verwendet werden, kann dieser Wert schwanken. Entsprechend unvorteilhaft erweist sich eine niedrige Zellhöhe von nur 40 mm. Auf der anderen Seite könnten aber auch besonders lange Zellen wie das 120-mm-Format Abstriche erfordern, falls z.B. die Wärmeabfuhr aus der Zelle oder das Benetzungsverhalten während der Elektrolytbefüllung eine Reduktion der Eleketrodenschichtdicken erforden.

 

Tabelle 1: Zelleigenschaften einer »Generation 1«-Konfiguration auf Basis von NMC811 vs. Graphit
  4640 4680 4690 46120
Kapazität (Ah) 11 25 28 38
Energiedichte (Wh/l) 580-610 670-700 680-700 690-710
Spez. Energie (Wh/kg) 230-240 240-250 240-250 245-260

 

Dass es sich bei der von uns analysierten Konfiguration nur um eine »Generation 1« handeln kann, verdeutlicht der Blick auf Industrieankündigungen: Bereits bei den Battery Days 2020 hatte Tesla Absichten zur Verwendung einer Silizium-basierten Anode im neuen Zellformat kommuniziert. Auch die Firma StoreDot hat unlängst Entwicklungsaktivitäten zu ihrer schnelladefähigen Siliziumtechnologie in 4680-Zellen öffentlich gemacht. Ein Ansatz, der die Leistungseigenschaften auf Materialebene mit der hohen thermischen und elektrischen Leitfähigkeit des Tabless-Designs kombinieren würde.

Prinzipiell sind verschiedene siliziumbasierte Anodenkonzepte denkbar: Zum Beispiel in der Form von Silizium-/Graphit-Kompositen oder auch reinen Siliziumanoden. Für den Kompositansatz wird überwiegend der Einsatz von Siliziumnanopartikeln (SiNP) diskutiert, während für den Einsatz in reinen Siliziumkonzepten auch Mikropartikel (SiMP) und andere Morphologien untersucht werden.

In unseren Modellrechnungen haben wir für mögliche zukünftige Zellkonzepte im 4680-Format auf der Kathodenseite nur kleinere Anpassungen bei der Auslegung angenommen. Bei gleichbleibender Schichtdicke und geringfügig reduzierter Porosität könnten in den nächsten Jahren nickelreiche Materialien von Typ NMCA (Li(Mn,Co,Ni,X)O2 X=Al, Mg) verfügbar sein, die eine reversible Kapazität von über 200 mAh/g bieten. Für ein Silizium-/Graphit-Komposit mit etwa 20 wt% SiNP (angenommene Kapazität 780 mAh/g) würde die Beschichtungsdicke der Anode mit nur 80 µm deutlich kleiner im Vergleich zur heutigen Zellauslegung ausfallen.

Beim Übergang zu reinen Siliziumanoden (angenommene Kapazität 2500 mAh/g) reduziert sich die Schichtdicke nochmal auf etwas mehr als 60 µm. Die Anodenschicht müsste dann jedoch eine extrem hohe Porosität von 75 Prozent besitzen, um die hohen Volumenänderungen des Siliziums aufnehmen zu können. Als Zwischenschritt sind Siliziumanoden denkbar, welche nicht die vollständige Legierung zwischen Lithium und Silizium (Li15Si4) ausnutzen und somit niedrigeren Volumenänderungen ausgesetzt sind, was ggf. die Nutzung von SiMP erlaubt. Die Länge der Elektroden in den siliziumreichen Konzepten steigt durch die dünnere Anode auf über vier Meter an.

 

Tabelle 2: Zelleigenschaften im Format 4680 mit unterschiedlichen Zellchemien
  Spannung (V) Kapazität (Ah) Energiedichte (Wh/l) Spez. Energie (Wh/kg)
LFP vs. Graphit 3.2 19 450-470 170-180
LMFP vs. Graphit (Mn 50%) 3.55 18-19 500-520 185-195
NMCA vs. SiNP/Graphit Komposit 3.45 31 800-820 285-290
NMCA vs. SiMP (spannungslimitiert) 3.3 31 765-780 275-280
NMCA vs. Si 3.35 34 860-880 305-310

 

Neben diesen Hochenergiekonzepten ist auch der Einsatz von Lithiumeisenphosphat (LFP) oder der Mangan-substituierten Weiterentwicklung Lithiummanganeisenphosphat (LMFP) denkbar. Zwar wurden bislang von den Zellherstellern im Automobilbereich keine entsprechenden Vorhaben zur Entwicklung von 46-mm-Rundzellen auf LFP-Basis kommuniziert, jedoch sind vergleichbar große Zellen bereits seit längerem erhältlich und werden in Anwendungen abseits der Automobilindustrie eingesetzt.

Im 4680-Format könnten sich Energiedichten von mehr als 450 Wh/l realisieren lassen, mit einem weiterentwickelten LMFP-Material sogar von über 500 Wh/l (Tabelle 2 und Abbildung 3).

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Abbildung 3: Format- und Aktivmaterialoptionen für 46-mm-Zellen

Herstellung der 46xx-Rundzellen

Aus Sicht der Produktion liegen die Hauptvorteile der neuen Zellformate klar in ihrem inneren Aufbau: Die Elektroden werden gewickelt und müssen nicht aufwändig gestapelt werden. Gleichzeitig besitzen die Zellen eine Größe, welche die Anzahl der notwendigen Einzelschritte bis zur Produktion eines fertigen Batteriepacks deutlich reduziert.

Im Detail betrachtet können sich weitere Veränderungen gegenüber bisherigen Rundzelldesigns ergeben: So reduziert das Tabless-Design z.B. die Anzahl der notwendigen Unterbrechungen bei der Elektrodenbeschichtung, welche sonst für die Kontaktierungspunkte mit den Ableiterfähnchen erforderlich gewesen wären. Auch das Anschweißen dieser Fähnchen entfällt. Beim Elektrodenschneiden und Wickeln könnte dagegen die Komplexität der Prozesse steigen, da die Ränder der Stromableiterfolien relativ eng eingeschnitten und beim Aufwickeln umgefalzt werden müssen.

Im Vergleich der unterschiedlichen Zellversionen von 4640 bis 46120 ist von einem insgesamt recht ähnlichen Aufwand bei der Herstellung auszugehen. Auch die Fertigung der längeren Zellen mit 120 mm Höhe lässt gegenüber den kürzeren Formaten keine nennenswerte Reduktion bei den Taktzeiten in der Assemblierung erwarten. Lediglich der Elektrolytbenetzungsprozess dürfte maßgeblich mit der Zelllänge skalieren. Unterm Strich könnte sich die höhere Energie pro Zelle im Vergleich zwischen 4680 und 46120 trotzdem in einer Kostenersparnis von bis zu 20 Prozent in der Assemblierung auswirken. Auf Ebene der Zellgesamtkosten relativiert sich diese Ersparnis jedoch wieder, da der Anteil der Assemblierungskosten an den Gesamtkosten aufgrund der aktuell sehr hohen Materialpreise nur bei fünf bis sieben Prozent liegen dürfte.

Potenziale der neuen Rundzellengeneration

Die vielversprechenden Leistungseigenschaften, aber auch die zahlreichen Ankündigungen der Produzenten und OEM, lassen vermuten, dass es auch in den kommenden Jahren viele Aktivitäten rund um das neue 46-mm-Zellformat geben wird. Bis die Zellen jedoch in der Breite der Elektrofahrzeuglandschaft zu finden sind, dürften noch einige Jahre vergehen. Der Aufbau neuer Fertigungslinien im großen Maßstab kann gut und gerne ein bis zwei Jahre in Anspruch nehmen. Auch ist davon auszugehen, dass technologische Neuerungen wie das Tabless-Design oder die Nutzung besonders dicker Elektroden den Hochlauf der Produktionen vor die ein oder andere Herausforderung stellen.

Die Produktion des Herstellers Tesla wird wohl bereits im laufenden Jahr stärker auf die neue Zelle umgestellt werden. Durch BMW ist erst ab 2025 mit einer Einführung in der neuen Fahrzeuggeneration zu rechnen. Aber auch Anwendungen jenseits der Elektromobilität wie stationäre Energiespeicher könnten langfristig von den neuen Zellen profitieren – werden sich aber, wie so oft, erst einmal hinter den Großabnehmern aus dem Automobilbereich anstellen müssen.