Mehr als gute Vorsätze? Was es neben der Absicht zur Verhaltensänderung für einen Umstieg auf nachhaltige Mobilitätsformen noch braucht
Im Projekt MobilKULT untersuchen wir die Zusammenhänge zwischen Infrastrukturen, Mobilitätsgewohnheiten, Mobilitätskultur und politischen Maßnahmen. Damit leisten wir einen Beitrag dazu, Chancen und Hürden einer Mobilitätswende zu verstehen. Die Daten erheben wir halbjährlich mit Fragebögen in Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern. Nun ist die zweite Befragungswelle abgeschlossen und erste Ergebnisse sind verfügbar.
Die aktuellen Mobilitätsgewohnheiten in unserer Gesellschaft sind teilweise mit hohen finanziellen, ökologischen und gesundheitlichen Kosten verbunden – für Individuen wie auch die Gesellschaft als Ganzes. Nachhaltigere Mobilitätsgewohnheiten können daher nicht nur gut für die eigene Gesundheit sein – sondern auch die Lebensbedingungen zukünftiger Generationen sichern.
Ein Ziel unseres Projekts MobilKULT ist herauszufinden, warum der Umstieg auf nachhaltigere Mobilitätsformen trotz vieler Vorteile so schwerfällt. Dafür ist es zentral, die Infrastrukturen und politischen Rahmenbedingungen sowie die Automobilitätskultur und die Gewohnheiten der Menschen zu betrachten.
In halbjährlichen Abständen bitten wir etwa 2.500 repräsentativ ausgewählte Menschen aus Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern, in einem Fragebogen ihre Meinung zu diesen Punkten zu äußern.
Unser Ziel ist, vorrangig dieselben Menschen wiederholt zu befragen, um Veränderungen messen zu können. In der nun abgeschlossenen zweiten Befragungswelle konnten wir 1.234 Menschen und damit 50 Prozent der Teilnehmenden aus der ersten Runde wieder erreichen – die weiteren Befragten nahmen zum ersten Mal teil. Eine genauere Beschreibung der verschiedenen Themenfelder, Methoden und Ergebnisse gibt es auf der Projektwebsite.
Menschen möchten gern Alternativen zum Auto nutzen – bis zu 45 Prozent setzen das auch um
Zunächst hat uns interessiert, inwieweit die Menschen ihren Absichten Taten folgen lassen, wenn es darum geht, Mobilitätsgewohnheiten zu ändern. In der ersten Befragungswelle haben insbesondere Menschen, die sehr viel mit dem Auto unterwegs waren, häufig angegeben, dass sie gerne auf Alternativen umsteigen wollten.
In der zweiten Welle sehen wir nun, dass bis zu 45 Prozent der Menschen ihre Absichten sechs Monate später auch umsetzten. Das heißt, dass der Anteil der Wege, den sie mit nachhaltigen Verkehrsmitteln zurückgelegt haben, in der zweiten Welle um bis zu 19 Prozentpunkte angestiegen ist. Dieses Ergebnis bedeutet aber auch, dass über die Hälfte der Menschen, die ihr Verhalten ändern wollten, ein halbes Jahr später die nachhaltigen Alternativen nicht häufiger oder sogar weniger nutzten als vorher.
Die durchschnittliche Nutzung des Rads steigt und die durchschnittliche Nutzung des Autos sinkt – in städtischen und vorstädtischen wie auch in ländlichen Gebieten. Nachhaltige Mobilität muss also kein rein städtisches Phänomen sein. Das bessere Wetter während der Erhebung im Sommer dürfte allerdings ein Grund für diesen Befund sein. Wir werden diesen Trend deshalb in der nächsten Welle genau beobachten.
Politische Maßnahmen werden negativer gesehen als ein halbes Jahr zuvor
Allgemein konnten wir im Vergleich zur ersten Befragungswelle im Winter 2022/2023 eine niedrigere Befürwortung der politischen Maßnahmen feststellen – unabhängig davon, ob es eher restriktive oder eher Anreizmaßnahmen waren. Möglicherweise zeigt das eine gewisse Politikmüdigkeit in Bezug auf die Mobilitätspolitik, die sich im Laufe des Jahres 2023 in der Gesellschaft eingestellt haben könnte.
Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass politische Maßnahmen weiterhin wichtig sind, um das Mobilitätsverhalten der Menschen in eine nachhaltigere Richtung zu lenken: Menschen mit der Absicht, ihre Mobilitätsgewohnheiten in Zukunft zu ändern, sind positiver gegenüber den untersuchten Maßnahmen eingestellt. Auch unter den positiv eingestellten Menschen ging die Zustimmung zu den untersuchten Maßnahmen zwar insgesamt zurück – allerdings weniger als bei Menschen, die ohnehin negativer gegenüber den Maßnahmen eingestellt waren.
Wie geht es weiter in MobilKULT?
Aktuell führen wir die dritte Befragungsrunde durch. Hier wird sich zeigen, ob sich die ersten identifizierten Trends fortsetzen. Sobald wir die Ergebnisse auf unserer Projektwebsite veröffentlichen, werden wir im Blog und auf Social-Media-Kanälen berichten. Wir möchten mit dieser Studie einen Beitrag zu aktuellen gesellschaftlichen Debatten leisten.
Zudem bilden die Daten, die wir in diesem Projekt regelmäßig erheben, die Grundlage für eine Dissertation, die Marvin Helferich (CC Energiepolitik und Energiemärkte) im Rahmen des Dok-Programms am Fraunhofer ISI anfertigt. Dabei steht im Mittelpunkt, wie sich die große gesellschaftlich-kulturelle Verankerung des Autos genau manifestiert und sich auf die Wahl alternativer Verkehrsmittel auswirkt. Mehr dazu erzählt er im Video »Meine Dissertation in 100 Sekunden«).