»Earth Overshoot Day«: Wie nachhaltig leben wir in der Zukunft?

von Simone Kimpeler, Ariane Voglhuber-Slavinsky und Bärbel Hüsing /

Der heutige »Earth Overshoot Day« zeigt: Der Verbrauch von natürlichen Ressourcen durch den Menschen nimmt stetig zu und liegt bei Weitem über dem, was die Erde an nachwachsenden Rohstoffen produzieren kann. Dieser Entwicklung lässt sich nur entgegenwirken, wenn künftig wesentlich weniger fossile Rohstoffe als heute genutzt und verbraucht werden. Wie solch ein Leben in einer nachhaltigen und biobasierten Bioökonomie der Zukunft aussehen könnte, hat das Fraunhofer ISI in verschiedenen Zukunftsszenarien und im Rahmen des Projekts »BioKompass« erforscht.

© Fraunhofer ISI / Zeichner: Heyko Stöber

Der vom Global Footprint Network ermittelte »Earth Overshoot Day« bzw.  »Weltüberlastungstag« fällt dieses Jahr bereits auf den 29. Juli 2019. Er bringt zum Ausdruck, dass an diesem Tag die menschliche Nachfrage nach natürlichen Rohstoffen die Möglichkeit der Erde übersteigt, diese Ressourcen selbst zu produzieren. Niemals zuvor lag er so früh wie im Jahr 2019. Aktuell bräuchte es 1,75 Erden, um den steigenden globalen Bedarf an Anbauflächen für Nahrung, Textilien und andere Güter zu decken und das freigesetzte CO2 fossiler Energieträger zu binden. Angesichts der stetig steigenden Weltbevölkerung ist auch in Zukunft mit einer steigenden Nachfrage nach Lebensmitteln, Konsumgütern und Energie zu rechnen. Erste Folgen wie ein massiver Verlust der Artenvielfalt, eine Verschlechterung der Bodenqualität und die Auswirkungen des Klimawandels sind bereits heute spürbar.

Um einem fortlaufend steigendem Ressourcenverbrauch entgegenzuwirken, kann eine Bioökonomie Beiträge leisten – genau wie jede und jeder einzelne – um den »Earth Overshoot Day« zeitlich nach hinten zu schieben (#MoveTheDate).. Doch wie sähe unser zukünftiges Leben in einer Bioökonomie aus und welche Möglichkeiten gibt es, ressourcenschonender zu leben? Mit dieser Frage befasst sich auch das Projekt »BioKompass«, in dem vom Fraunhofer ISI Zukunftsszenarien entwickelt wurden.

Daraus entstandene Alltagsgeschichten zeigen konkret und leicht verständlich auf, wie sich der Alltag durch eine Bioökonomie verändern kann und regen zum Nachdenken über alternative Zukunftswelten an. So beschreibt ein Zukunftsbild, wie Oda (23) mit ihrem genügsamen Lebensstil eine Bioökonomie fördert, der die Grenzen des Planeten respektiert. Sie bezieht Bio-Milch und -Käse aus ihrem »Kuh-Sharing«, beteiligt sich über Mitgliedsbeiträge und Solidarpreise am Geschäftsrisiko der regionalen Landwirte, muss aber auf exotisches Obst und Gemüse verzichten.

In einem anderen Zukunftsbild der Bioökonomie in 2040 geht es um Beate (50), die Zuhause mit ihrem Heimbioreaktor experimentiert und damit einen Teil ihrer Lebensmittel selbst herstellt. Trotz ihrer Technikbegeisterung ist ihre Wohnung eine wilde Mischung aus High-Tech, Holz und biobasierten Materialien - Hauptsache recycel- oder kompostierbar und langlebig. Auch der fiktive Alltag eines Chemiefacharbeiters im Jahr 2040 und der einer Bio-Landwirtin wurden im Zukunftsdialog beschrieben. Letztere trinkt mit ihrer Freundin gerne Löwenzahn-Kaffee und behält dabei über ein Display ihren landwirtschaftlichen Betrieb im Blick. Nicht sie, sondern Drohnen entfernen das Unkraut.

Die Zukunftsgeschichten dienen als Anregung, sich selbst ein Bild von alternativen Ausprägungen einer Bioökonomie der Zukunft zu machen. Sie rufen ins Bewusstsein, wie unterschiedlich die Bioökonomie ausgestaltet werden kann und wie sehr eigene Konsum- und Lebensweisen das beeinflussen. Keines der Zukunftsbilder beschreibt dabei eine perfekte Bioökonomie, es gibt in jedem Szenario auch Annahmen, die kritisch gesehen werden. Im Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern  wurde deutlich, dass sich die individuellen Bewertungen, wie wünschenswert ein Zukunftsbild ist, erheblich unterscheiden. Deshalb ist es besonders wichtig, Bürgerinnen und Bürger und vor allem Jugendliche frühzeitig in die Entwicklung von Zukunftsvorstellungen über eine Bioökonomie einzubinden und damit die Möglichkeiten der Mitgestaltung der eigenen Zukunft aufzuzeigen. Es braucht nicht weniger als einen gesellschaftlichen Diskurs darüber, welche Bioökonomie wir uns wünschen, wie wir Nachhaltigkeit sicherstellen können und wie wir unser Konsumverhalten dafür ändern wollen.

Die Szenarien sind auch Ausgangspunkt für die Ausstellung »Zukunft gestalten – Wie wollen wir leben?« im Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt. Die Ausstellung zeigt mögliche Szenarien anhand ausgewählter Konsumprodukte für eine Welt 2040 auf, in der deutlich weniger fossile Rohstoffe als heute verwendet werden.

Über das Projekt

Angesichts von Klimawandel, Ressourcenknappheit, Umweltverschmutzung und Digitalisierung ist ein Umdenken in allen Teilbereichen der Gesellschaft notwendig. Die Entwicklung zu einer biobasierten Wirtschaftsweise könnte dazu beitragen, ihre konkrete Ausgestaltung ist jedoch noch offen. Die gesellschaftliche Beteiligung an diesem Transformationsprozess der Wirtschaft wird im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Projekt BioKompass durch unterschiedliche Methoden angeregt. Dazu gehören partizipative Szenarienentwicklung, interaktive Ausstellungsformate im Senckenberg Naturmuseum sowie Seminarkurse für Oberstufenschülerinnen und -schüler.

Das Fraunhofer ISI ist verantwortlich für die Gesamtkoordination und leitet das Teilprojekt »Zukunftsvorstellungen Bioökonomie«. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (SGN) wird die Ergebnisse der Zukunftsdialoge im Projektverlauf für den Museumsbereich in diversen Medienformaten, Ausstellungsexponaten und Unterrichtsmaterialien weiterentwickeln. Zudem entstehen zusammen mit Expertinnen und Experten des Fraunhofer IGD eine Augmented Reality App und Webinhalte. Das Institut für sozial-ökologische Forschung ISOE führt eine begleitende Evaluierung durch.